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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition)
Autoren: Marcel von Treppen
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jeden Job angenommen, wenn gleich bei aller Verlogenheit ich nie zu den Folterern gehören wollte, die es geben musste. Ich hatte vielleicht auch das Zeug zum Denunzianten, der amoralisches Verhalten oder solches das sich gegen die Kirche richtete, an klerikal-polizeiliche Überwachungsorgane weitergab, die das aufmüpfige, amoralische Klientel den Folterschergen überließ. Das System war mir verhasst, es hatte mich um meine Möglichkeiten beraubt. Ich war Experte für die Geschichte der Erde; nach meinem Berufsverbot war ich auch gleichsam chancenlos zu heiraten. Ich verabscheute dieses System mit seinem klerikalen Adel, verabscheute die klerikalen Bonzen, an deren Schwänzen mehrere Dienerinnen gleichzeitig saugen würden, wäre es möglich, die zudem mehrfach verheiratet, darüber wachten, dass auf der Insel Zucht und Ordnung herrschten. Keiner Frau wurde ein Haar gekrümmt, da diese, keusch, ihr Haar unter einem Kopftuch verbergen musste. Ich kannte es auch anders und sie wussten, dass ich wusste, dass andere Gesellschaftsformen möglich waren. Ich war Experte für mögliche Gesellschaftsformen, und ich hätte es gerne gewusst, wie es auf der Erde weiter gegangen war, aber seit dem Abflug unserer Ahnen waren etwa 31000 Jahre vergangen, eine Zeitdauer, die die Entwicklung der Menschheit ins Unvorstellbare verrückte, da der exponentielle Virus sie erfasst hatte. In der mir bekannten Geschichte der Menschheit gab es nie eine gerechte Gesellschaft, zwar vergleichsweise freie Gesellschaften, aber ungerecht. Unsere Brüder und Schwester in New Havanna probten einen Sozialismus, der schon auf der Erde zum Misserfolg verdammt war. Möglicherweise ließ die menschliche Natur die freie, gerechte Gesellschaft nicht zu. Darüber hätte ich gern mehr gewusst. Ich wollte heute noch unserer Kathedrale einen Besuch abstatten. Sie könnte mir keine Antworten geben; ihre Pracht, ihr Glanz, ihr Personal würden mich beeindrucken, ablenken, eine Gelegenheit meine Scheinheiligkeit zu entfalten und meine Konformität zu zeigen, obgleich ich kein Wort glauben würde, dass über die Lippen der Pfaffen, Bischöfe, Prediger kommen würde, kein Wort von dem, was selbst über meine Lippen kam, war wahr. Die Inszenierung der Dienerinnen war wie eine Revue, - der Begriff hatte in unserer Gesellschaft keine dazugehörende Wirklichkeit, aber ich hatte eine Vorstellung davon, was er damals auf der Erde bedeutete – die die Fantasien der Zukurzgekommenen, vermutlich aber nicht nur bei diesen, bediente. Wenn ich auf meinem Weg durch die Stadt einer Frau begegnete, senkte sich ihr Blick, um dann möglichst schnell an mir vorbeizukommen. Es gab nur wenige Ausnahmen, die Kellnerinnen in manchen Kneipen waren häufig offener, ein Grund mehr sich zu diesen Orten zu begeben, die zwar geduldet wurden, aber mit Sicherheit unter besonderer Beobachtung standen. Sie waren auch Hort einer geheimen Prostitution, vor der ich mich hüten musste, denn ein Vergehen dieser Art hätte mit Sicherheit das endgültige Ende meiner Karriere bedeutet. Ich musste vorsichtig sein, denn in alkoholisierter Stimmung war ich unberechenbar und aus einer Laune heraus war es nicht ausgeschlossen, mich auf ein Abenteuer einzulassen. Zurzeit hatte ich Gelegenheitsjobs als Hafenarbeiter, was meiner Neigung entgegenkam, in der Nähe des Meeres zu sein. Ich hatte nie herausgefunden, warum sie mich von meinem Lehrauftrag entbunden hatten. Vermutlich war ich irgendwo und irgendwann nicht vorsichtig genug gewesen, womöglich lag es an den Inhalten meiner Vorlesungen. Niemand hatte mich gewarnt. Beten half womöglich, nicht dass ich Gnade in Gottes Ohr damit finden würde, denn ich war mir sicher, dass weder das Ohr noch er existierte, aber die Kameras in den Kirchen und Kathedralen zeichneten auf, dass ich betete, andächtig versunken im Kontakt mit Gott. Ich schaute auf die Ausschnitte der Dienerinnen und pries Gott, all dies wurde aufgezeichnet. Man wusste genau, wie man mich zu einem harmlosen Lämmchen dieser Gesellschaft machen konnte, aber sie konnten sich erlauben, mich kaltzustellen. Sie hatten keinen Bedarf mehr für die Geschichte der Menschheit. Ich war nun ein Niemand, aber warum sollte ich mich nicht in dieser Situation mit den Huren dieser Stadt einlassen, um mein schmales Salär mit ihnen zu teilen.                                                         
     
    Der Glanz der Kirchen wird die Perversität derjenigen,
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