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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition)
Autoren: Marcel von Treppen
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Anforderungen an die Menschen. Sie vermittelten Gottes Willen. Aber es gab da ein Problem: Gott existierte nicht. Aber das war ihnen egal. In seinem Namen wurde regiert, administriert, kaltgestellt, mitunter gefoltert und getötet. Die Folter war ein Erbe der Menschheit. Ich war dankbar, dass ob dieser Gedanken keine göttliche Instanz mir einen elektrischen Schlag versetzte. Wieweit die Telepathieforschung gekommen war, war ein Staatsgeheimnis und so konnte jeder, der ein bisschen bei Verstand war, mit einiger Berechtigung paranoid werden. Ich war zeit meines Lebens paranoid. Da half auch nicht, dass ich ein paar Jahre Theologie studierte, versuchte, sehr fromm zu wirken, mit der diffusen Vorstellung, eine Heimat in der klerikalen Hierarchie zu bekommen. Priester waren die Einzigen, die mehrere Frauen haben durften. Früher gab es das Zölibat, scheinbar verkennend, dass die Kirche nur eine Weltmacht war, in deren Namen Päpste, Bischöfe und Soldaten hurten. In New Avignon wurde dieses Wissen konsequent umgesetzt. Das Studium der Vorgeschichte vermittelte einem das Wissen, das es andere Götter gab als den einen neokatholischen Gott. Es gab Allah, Zeus, Athene und Venus, Shiva, Ra und ein paar Tausend andere Ungenannte. Allah war mir ein bisschen suspekt, es mochte der gleiche sein, den unsere Pfaffen anbeteten. Ich hatte mich nie in die Welt des Hinduismus, Shintoismus oder Taoismus eingearbeitet. Vielgötterei in Hochkulturen war ein interessantes Thema, das nun, wen würde das überraschen, als subversiv galt. Die Götter des Hinduismus konnten mir auf dieser Welt nicht helfen. Manchmal fragte ich mich, was an mir so verboten war. Was wollte ich denn? Ein bisschen Spaß, die Chance auf Liebe und hin und wieder einen Bissen von der Frucht der Erkenntnis. Ein Job wäre natürlich auch wichtig, denn ohne das nötige Taschengeld ließe sich das Leben hier nicht finanzieren. Ich war eine Persona non grata – wer sollte sich da in mich verlieben? Ein bisschen Spaß erlaubte ich mir dann schon, was auf Kosten meines angesammelten Taschengeldes ging, dachte an Paola und lebte in einer Zeit, in der man von einem Tag in den anderen lebte. Was sollte man auch anderes machen? Ich fragte mich, ob das Stigma der Aussätzigen an mir haftete. Vermutlich konnten die Klerikalen riechen, dass ich Ketzer war. Ich trug ein Kruzifix offen auf der Brust, aber diese Tarngebarden halfen nicht. Man konnte den Ketzer in mir riechen und telepathische Spezialeinheiten konnten mich jederzeit aufgreifen. Hätte man Begriffe für Brahma oder Shiva gehabt, wäre ich vielleicht der Vielgötterei verdächtigt worden, verkennend, dass ich ein einfacher Atheist war.
     
     
     
    Nachdem ich die Flasche Chateneuf de Pape geleert hatte, mein Gedankenfluss hatte sich etwas beruhigt, bewegte ich mich an der schmutzigen Hafenanlage entlang in Richtung Innenstadt. Der Hafen hatte die triste Aufgabe, unerwünschten, womöglich giftigen Müll zu verladen. Man vermisste in diesem Viertel jegliche Seemannsromantik, die man von den Geschichten von früher kannte. Aber wer kannte diese Geschichten schon? Ich war ein Experte für solche Geschichten, durfte sie aber nicht mehr an den Mann bringen. Hier gab es keine Hafenkneipen mit Seemännern, die sich aus irgendwelchen Gründen besoffen, nicht die Mädchen, die ihr Leben erträglicher machten.
    Athens hatte zwei kleine Häfen. Der an der Ostseite der Stadt wickelte den Fährverkehr und spärlichen Handel mit New Havanna ab. Ich wurde zeit meines Lebens verdächtigt, ein Sympathisant des dortigen Regimes zu sein, aber das war an den Haaren herbeigezogen. Das einzig gemeinsame zwischen mir und deren Machthabern war, dass wir Atheisten waren. New Havanna hatte nur zwei Vorzüge gegenüber unserer Insel. Die Frauen und das Klima. Die Frauen, und insbesondere die, die an der Küste lebten, waren schöner, freizügiger als die unseren und trugen kein Kopftuch. Mit dem nötigen Kleingeld konnte man dort einen erstklassigen Urlaub verbringen. Die Sandstrände und Buchten dort waren phantastisch, das Wetter wärmer und gewöhnlich besser als hier und wie gesagt: Die Mädchen dort konnten mir den Verstand rauben. Es war nicht nur Propaganda unserer Bischöfe, dass das Leben dort noch lausiger war als hier. Lausiger, ärmlicher und ähnlich paranoid wie hier. Gab es hier einen Untergrund, so machte man sich vermutlich etwas vor, was die Freiheiten in New Havanna anbelangte, aber die sexuellen Freizügigkeiten
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