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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition)
Autoren: Marcel von Treppen
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beschränkten sich auf die Touristen, die dafür bezahlten.  New Havanna stand für mich offensichtlich in der Tradition der Insel Kuba, dessen Hauptstadt Havanna hieß. Genauso wie es damals für einen kleineren Zeitraum war, verdiente die Insel ihre Devisen mit Fremdenverkehr, Prostitution und einem vergleichsweise gut ausgebauten Gesundheitssystem und das alles nun nach mehr als 30000 Jahren, aber jedes Kind wusste, das Zeit eine relative Angelegenheit war. Das war uns Menschen seit Einstein bekannt.
    Später Nachmittag. Ich hatte noch Gelegenheit in eine der Messen zu gehen, die für uns Christenmenschen Pflicht waren. Das war natürlich reine Zeitverschwendung, eine Stunde praktizierte Scheinheiligkeit, die die Theokratie brauchte, zu überleben. Gebete zu Gott und seinem Sohn Jesus, der für uns am Kreuz gestorben war, von Gott wiederbelebt wurde und in die göttliche Ewigkeit einfuhr, von nun an der Seite Gottes. In Gottes Haus durften Kirchgängerinnen zwar ihr Kopftuch nicht ablegen, schon aber die Messdienerinnen. Es war besonders reizvoll, die Messdienerinnen bei ihrer Ausführung der Liturgie zu verfolgen. Messdienerinnen waren ausgesucht schöne junge Frauen, an denen sich Gott, sein Pfarrer oder sein Bischof und auch wir uns erfreuen konnten. Bei einem solchen Anblick hatte ich früher öfters eine Erektion bekommen und ich war froh, dass ich im Dunkel der Kirche praktisch nie aufgeflogen bin; im Übrigen kniete man die meiste Zeit. Der Priester und seine Messdienerinnen standen im Glanz einer ausgeklügelten Lichtanlage.
    Mein Weg führte über mehrere öffentliche Plätze. Die Dichte der Überwachungskameras nahm deutlich zu. Was mit der Flut der Bilder geschah, wusste keiner von uns genau. Jedenfalls war es möglich – und alles ohne Chips – die Wege seiner Bürger nachzuvollziehen. Jeder von uns trug einen Sender, der unentwegt Namen und ID ausstrahlte. Zu jeder Überwachungskamera gehörte auch ein Empfänger, der die Namen oder Nummern auflösen konnte. Bei Massenkundgebungen versagte das System, aber die Wissenschaftler an den Instituten für theoretische und praktische Informatik arbeiteten an dem Problem. Athens war sehr übersichtlich aufgebaut, die Straßen waren durchnummeriert, nur die Straßen, an denen eine Kirche oder ein Kloster steht, trugen einen zusätzlichen Namen. Ich kreuzte die 21ste und wusste Sankt Magdalena befand sich an der 25. Hier waren die Straßen dicht befahren, dem Ottomotor sei Dank. Autos hatten selbstverständlich auch eingebauten Sender, die man irgendwann in naher Zukunft mit Navigationssystemen koppeln konnte. Obwohl die Jungs von der Weltraumbehörde und die von den Informatikinstituten fieberhaft daran arbeiteten, war uns so etwas wie ein GPS noch nicht gelungen. Mit einer wenn auch ausgeklügelten Röhrenelektronik war das auch vergleichsweise schwierig. Unsere Vorfahren hatten ein paar Erfindungen gemacht, die wir nicht nachvollziehen konnten. Es gab darüber kaum historische Dokumente, die Technik musste etwas mit Quantenphysik zu tun haben. Es gab ein paar Gerüchte über die frühere Technik; eines war, dass die früheren Menschen mit der Zunahme der Automation die Technik selbst nicht mehr beherrschten, dass es automatische Fertigungsstätten gab, die die Maschinen für die Chipherstellung produzierten, die ihrerseits Chips für beispielsweise Wundercomputer hoch automatisiert herstellen konnten.
    New Avignon konnte fast lichtschnelle Raumschiffe auf den Weg schicken. Ich erreichte die 25. und hatte noch achthundert Meter zu gehen. Ich zeigte mich bewusst den Kameras, mit einem Ausdruck, der sagen sollte: Hier bin ich Leute, ein treuer Bürger, ein braver Neokatholik, ein gläubiger Christ. Ich erreichte Sankt Magdalena zur sechs Uhr Messe. Es waren neben mir vielleicht hundert andere Gläubige in der Kirche. Eine junge Frau fingerte an ihrem Kopftuch und entpuppte sich kurz als Rothaarige. Rothaarige Menschen sind äußerst selten, ich hatte nur ganz wenige in meinem Leben gesehen. Während die Messdienerinnen immer weiß trugen – sie erinnerten mit ihrer Tracht an frühere Tennisspielerinnen oder Eiskunstläuferinnen, trugen die Priester alle möglichen Farben, die von keiner Liturgie vorgegeben wurden. Jeder Priester wählte seine Farbe individuell aus. Dieser hier trug heute Abend ein türkises Gewand. Athens gehört zu den fünf Bistümern, in denen die Messen auf Englisch gehalten wurden, mit nur wenigen Sätzen Latein, die in die Messe hinein
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