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Auf die Freundschaft!

Auf die Freundschaft!

Titel: Auf die Freundschaft!
Autoren: Annika Bühnemann
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ehe der Schlussapplaus verebbt war, saßen wir wieder im Auto.
     
    „Ich weiß, das klingt jetzt sehr abgedroschen: Zu mir oder zu Ihnen?“
    Er siezte mich immer noch. Er siezte ohnehin alle Kollegen, und ich kannte niemanden, dem er das Du angeboten hatte, aber in Anbetracht unserer Situation hatte ich angenommen, er würde spätestens auf dem Weg nach Hause auf eine persönlichere Ebene vordringen. Apropos zu Hause: Ich war erstaunt, dass ich noch nicht früher darüber nachgedacht hatte, zu wem wir fahren sollten.
    Wie machte man das denn normalerweise?
     
    Ich ging im Kopf alle möglichen Gründe durch, die dagegen sprachen, zu Dr. Wantisek zu fahren: Meine Wohnung war nur etwa zehn Minuten entfernt, während ich gar nicht wusste, wo mein Chef überhaupt wohnte. Außerdem konnte ich mir bei mir zu Hause noch die Zähne putzen, denn ich hatte nach dem Sekt irgendwie eine pelzige Zunge und brauchte dringend etwas Erfrischendes. Und ich konnte danach einfach liegen bleiben und einschlafen, während der Doktor in seine gebrauchte Kleidung steigen musste, um sich aus dem Staub zu machen.
    Andererseits würde ich in meiner Wohnung erst einmal das Bett neu beziehen müssen (Mikes Benjamin-Blümchen-Decke, die ich aus Mangel an frisch gewaschener Bettwäsche aufgezogen hatte, machte keinen besonders erwachsenen Eindruck) und ich war nicht erpicht darauf, dass mein Chef sich zu sehr in meiner Wohnung auskannte. Nicht, dass er noch auf die Idee kam, meine Schubladen zu durchwühlen, während ich duschte. Nachher würde er noch meine Shades-of-Grey-Sammlung finden und falsche Schlüsse ziehen! Ich hingegen fände es sehr aufschlussreich, in seinen Schubladen nach interessanten Informationen zu suchen. Wer konnte schon wissen, was bei so einer Feldforschung alles zu Tage käme! Außerdem bestand immer die Chance, dass Mike unerwarteterweise nach Hause kommen könnte.
    „Zu Ihnen“, säuselte ich daher, und wir fuhren los.
     
    Dr. Wantisek wohnte am Stadtrand in einer verkehrsberuhigten Zone. Das Grundstück war von einer zwei Meter hohen Eibenhecke umgeben und die Einfahrt mit einem schmiedeeisernen Tor verriegelt. Mein Chef geleitete mich in die Küche, wo er mir ein weiteres Glas Sekt anbot und sich selbst ein Bier genehmigte. Sein Jackett hängte er über eine Stuhllehne. Während er an dem Bier nippte, beobachtete er mich eindringlich. Ich versuchte, trotz meines leicht beschwipsten Zustandes möglichst elegant und erotisch zu wirken.
    Ich musste an Mike denken. Was machte er wohl gerade bei Sascha? Ob er sich für seine Mutter schämen würde, wenn er wüsste, was ich tat? Ich hätte es jedenfalls getan, wenn ich so etwas über meine Mutter erfahren hätte. Gleichzeitig plagte mich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm nicht gesagt hatte, dass ich mit seinem Direktor ins Theater gegangen war.
    Dr. Wantisek leerte das Bier in drei Zügen und ich kippte den Sekt ebenfalls schnell hinunter.
    „Danke“, sagte ich, als Dr. Wantisek nachgoss und endlich ein Gespräch anfing. Die Stimmung wurde wieder ungezwungener. Wir sprachen über das Theaterstück und die Arbeit. Währenddessen kam er immer näher zu mir.
    „Ich freue mich, dass Sie für heute zugesagt haben“, erklärte er.
    „Rot steht Ihnen außergewöhnlich gut, wissen Sie das?“
    Die Komplimente taten meiner geschundenen Seele gut, und der Alkohol tat sein Übriges.
    „Denken Sie nicht, es wäre an der Zeit, mir das Du anzubieten?“, fragte ich zögernd. Ich kam mir komisch vor, ihn noch immer mit seinem Titel anzusprechen.
    Dr. Wantisek kam so nah an mich heran, dass ich das schwache Echo seines Parfums riechen konnte. Sanft legte er eine Hand auf meine Hüfte. Sein Gesicht näherte sich meinem.
    „Ich ziehe es vor, wenn wir eine gewisse Distanz wahren“, antwortete er.
    Irritiert ging ich einen Schritt zurück. Wie sollte ich Distanz wahren, wenn wir dabei waren, genau das Gegenteil zu machen?
    „Ich kann mich aber nicht entspannen, wenn wir uns die ganze Zeit siezen“, sagte ich und stellte mein angefangenes Glas auf die Theke. Dr. Wantisek lenkte ein.
    „Ich möchte nur nicht, dass wir uns im Büro duzen. Ich finde es heikel, unser heutiges Treffen öffentlich zu machen.“
    „Davon spreche ich doch nicht“, winkte ich ab. „Ich möchte dich einfach duzen, wenn wir weitermachen, wo wir stehengeblieben sind.“
    Herrje, dieser Mann dachte wohl, ich würde gleich der ganzen Schule von uns erzählen. Er schien nachzudenken.
    „In Ordnung. Ich
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