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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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einem Fall so viel Anteilnahme in der Bevölkerung erlebt wie bei diesem. Das Schicksal der jungen Familie rührte die Menschen und veranlasste sie, uns jede nur mögliche Information zum vermeintlichen Aufenthaltsort der Vermissten zu geben. Dem verzweifelten Familienvater und selbständigen Taxiunternehmer gehörte die Anteilnahme und Sympathie einer ganzen Stadt.
    Da die eingehenden Hinweise nicht in der Alltagsroutine eines Kommissariats für Tötungsdelikte abgearbeitet werden konnten, begannen meine Kollegen und ich in einer Sonderkommission die einzelnen Spuren zu überprüfen: erfolglos. Frau und Kinder schienen sich förmlich in Luft aufgelöst zu haben.
    Parallel dazu untersuchten Beamte des Erkennungsdienstes das Haus von Uwe Gräfe auf Spuren eines Einbruchs oder einer Entführung. Doch diese gibt es nicht. Als sich auch kein Erpresser meldete, sorgte das Gebaren von Uwe Gräfe bei uns für Erstaunen: Er hatte einem Massenblatt seine Exklusivstory verkauft, den Reportern sein Fotoalbum gegeben und sich mit dem Teddy seines Sohnes fotografieren lassen, doch für meine Kollegen von der Vermisstenstelle war er für Rückfragen nicht zu erreichen. Wir fragten uns, ob sein Verhalten für einen besorgten und verzweifelten Familienvater angemessen war, wie er es bei der Anzeige, der anschließenden Vernehmung und seinen öffentlichen Auftritten zu vermitteln suchte: Konturen eines ersten vorsichtigen Verdachts.
    Fünf Tage später kam überraschend Bewegung in den Fall, als ein Spaziergänger in der Nähe von Bremen die Leiche einer Frau fand. Der Täter hatte die Tote in einem Wald abgelegt, sie mit Benzin übergossen und angezündet. Zwei Tage später war die bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Frau identifiziert: Es war Anja Gräfe. Die Todesursache war nicht eindeutig zu klären, doch alles sprach für Mord.
    Meine Kollegen von der niedersächsischen Mordkommission übernahmen den Fall, da die Tote in ihrem Zuständigkeitsbereich gefunden worden war und nach der Strafprozessordnung das Tatortprinzip gilt. Das heißt: Wenn der Tatort nicht bekannt ist, gilt der Fundort als Tatort. Das bedeutete, dass unsere Sonderkommission die Kollegen in Niedersachsen unterstützte. Wird später bei den Ermittlungen der Tatort bekannt, dann übernimmt – wenn er sich vom Fundort unterscheidet – die für den Tatort zuständige Staatsanwaltschaft. In unserem Fall die Staatsanwaltschaft Bremen.
    Uwe Gräfe zeigte sich jetzt wieder kooperativ, doch in seiner nächtlichen Vernehmung blieb er konsequent: »Ich habe nichts mit dem Tod meiner Ehefrau und dem Verschwinden meiner Kinder zu tun.« Trotzdem durchsuchten Beamte des Erkennungsdienstes und der Sonderkommission sein Haus ein zweites Mal. Jetzt jedoch mit einer anderen Zielrichtung: Gab es Indizien, die dafür sprachen, dass Uwe Gräfe seine Frau und Kinder getötet hatte? Dabei fanden sie den Schlüsselbund seiner Frau sowie die Wickeltasche von Lisa, die ihre Mutter nach Aussage mehrerer Zeugen zu allen Ausfahrten mitgenommen hatte. Zudem konnte Uwe Gräfe den Ermittlern nicht sagen, wo er die Bettwäsche gelassen hatte, die er am Tag des Verschwindens seiner Familie gewechselt haben wollte. Beides zusammen war für den zuständigen Richter Grund genug, einen Untersuchungshaftbefehl wegen Mordverdachts auszustellen.
    Gleichzeitig intensivierten wir die Suche nach den Kindern und dem verschwundenen Fahrzeug und überprüften Orte mit privatem oder beruflichem Bezug zum mutmaßlichen Täter – vergeblich. Nachdem eine Hubschrauberbesatzung in einem kleinen See in der Nähe von Uwe Gräfes Firma ein versunkenes Auto entdeckt hatte, fuhr ich dorthin. Doch das aus dem Wasser gezogene Wrack war nur ein vor Jahren gestohlener Wagen.
    Zwischenzeitlich verdichteten sich die Indizien gegen den Familienvater weiter: Bei einer erneuten Durchsuchung seines Hauses stießen meine Kollegen auf die Quittung eines auswärtigen Taxifahrers für die Fahrtstrecke vom Flughafen zum Hauptbahnhof. Wir überlegten, welche Bedeutung der Beleg haben konnte, standen Uwe Gräfe als selbständigem Taxiunternehmer doch mehrere Fahrzeuge zur Verfügung. Weshalb hatte er also ein Taxi eines Konkurrenten benutzt? War er mit dem Wagen seiner Frau zum Flughafen gefahren und hatte ihn auf einem der Parkplätze abgestellt? Wir schalteten die örtlich zuständige Polizei ein, und tatsächlich wurde dort kurze Zeit später von einer Streifenbesatzung der Wagen gefunden. Ein weiterer und starker Beweis
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