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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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Vernehmung zwar, dass er an dem Besäufnis teilgenommen und Cora Walden ihm den Zettel zugesteckt hatte, doch bei der Tat sei er nicht dabei gewesen. »Ich hatte überhaupt keinen Plan, was sie von mir wollte und was das sollte. Mich hat das Gekreische der beiden nur total genervt, da bin ich abgehauen.«
    Cora Walden wurde wegen Mordes angeklagt. Ein Vorwurf, der sich in der Gerichtsverhandlung allerdings nicht beweisen ließ. Als ihr ein Rechtsmediziner zusätzlich attestierte, dass sie zur Tatzeit stark betrunken war und weit über zwei Promille Blutalkohol aufgewiesen haben dürfte, wurde Cora Walden wegen eines vorsätzlichen Vollrauschs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
    Die Strafvorschrift des Vollrauschs ist ein Auffangparagraph für Täter, die sich fahrlässig oder vorsätzlich betrinken beziehungsweise Betäubungsmittel einnehmen und in diesem Zustand eine Straftat begehen. Eigentlich könnten sie für die Tat nicht bestraft werden, da ihnen durch den starken Rausch nicht bewusst war, was sie taten, sie also schuldunfähig waren. Unter Strafe gestellt ist das »Sichberauschen« und nicht die im Rausch begangene Tat. Die Höchststrafe liegt bei fünf Jahren.
    Ein psychologischer Gutachter hatte bei Cora Walden einen Vollrausch – und damit die aufgehobene Schuldfähigkeit – nicht ausschließen können. Deswegen kam ihre Verurteilung wegen Mordes nicht mehr in Betracht.
    Unabhängig davon kann dieser Fall nicht als Tyrannenmord angesehen werden. Schon allein deshalb, weil eine zentrale Voraussetzung dafür nicht gegeben war: die mentale Unterlegenheit der Frau und die damit verbundene Ausweglosigkeit ihrer Situation. Die Tat von Cora Walden wirkt tatsächlich eher wie die eines Mannes. Vielleicht weil ihre Sozialisation vornehmlich im männlich dominierten Bordell-und Zuhältermilieu stattgefunden hat und dort Gewalt als probates Mittel eingesetzt wird, um Konflikte zu lösen. Vielleicht aber auch, weil sich – unter dem Einfluss von Alkohol – Kränkungen eines ganzen Lebens in einem einzigen Gewaltexzess entladen haben. Gerade im sogenannten Alkoholikermilieu sind wir immer wieder mit Taten konfrontiert, bei denen selbst nichtigste Streitanlässe zu Gewalteskalationen führen, die in exzessives Töten münden. Der Tatort jedenfalls sprach auch hier eine deutliche Sprache: Hier war keine eiskalt planende Täterin am Werk, hier war ein Konflikt zu einem tödlichen Overkill eskaliert.
    Trotz solcher Ausnahmen von der Regel gilt: Partner töten ihre Partnerin, nicht umgekehrt. Dabei geht dem meist geplanten Töten in der Regel ein langer Konflikt voraus, fast immer mit einer bereits ausgesprochenen oder vollzogenen Trennung oder dem drohenden Verlust der Partnerin verbunden.
    Der Mann erlebt den Verlust und vor allem die in der Trennung enthaltene Zurückweisung seiner Person als existenziell. Entsprechend weisen die Spuren am Tatort und an den Opfern auf die Emotionalität der Tat hin, obwohl Intimizide häufiger geplant sind, als dass sie im Affekt stattfinden. Die Emotionalität bestimmt die Intensität der Gewalt: teilweise exzessiv, manchmal auch über den Tod hinaus, und häufig verschiedene Tötungsarten kombiniert. Missbrauch von Alkohol und Betäubungsmitteln steigert zusätzlich die Gewalt. Reue, Bestürzung und Verzweiflung zeigen sich in dem anscheinend »überflüssigen« Täterverhalten, das spezielle Bedürfnisse ausdrückt – zum Beispiel bei dem Bemühen um emotionale Wiedergutmachung oder bei beabsichtigten oder vollendeten Suiziden.
    Doch auch dies ist wieder einmal nicht die ganze Wahrheit, wie der letzte Fall in diesem Kapitel und in diesem Buch zeigt.
    »Meine Frau ist mit unseren beiden Kleinkindern verschwunden. Sie wollten eine größere Einkaufstour machen. Als ich morgens um sechs Uhr zur Arbeit fuhr, haben die drei noch geschlafen.«
    Als Uwe Gräfe mit diesen Worten seine Familie an einer Polizeiwache als vermisst meldete, begann für meine Kollegen und mich einer der aufregendsten und rätselhaftesten Fälle meiner Laufbahn: die Suche nach der achtundzwanzigjährigen Frau Anja und ihren beiden kleinen Kindern Lisa und Sven – wenige Wochen beziehungsweise vier Jahre alt.
    Nachdem sich die als korrekt und zuverlässig beschriebene Frau auch am nächsten Tag noch nicht bei ihrem Mann oder ihrer Familie gemeldet hatte, entschlossen sich meine Kollegen von der Vermisstenstelle zu einer Öffentlichkeitsfahndung und veröffentlichten Fotos der Vermissten. Selten habe ich bei
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