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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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erstellte ein Täterprofil.
    Die folgenden Überlegungen galten damals für mich als sicher: Der Täter tötet und verstümmelt Agnes Brendel in seiner Wohnung oder einem anderen ihm gut bekannten sicheren Ort, wie z. B. seiner Schrebergartenparzelle, um die Leiche einfacher und unauffälliger transportieren zu können. Dort kann er sich längere Zeit ungestört aufhalten. Er lebt daher wahrscheinlich alleine. Vermutlich hat der Täter zwischen seiner Wohnung und dem Fundort des Torsos einen Sicherheitsabstand eingehalten, damit keine Rückschlüsse auf ihn möglich sind. Doch er kennt die Schule. Er handelt in großer Eile, nimmt sich keine Zeit, den Torso zu verstecken. Das kann dafür sprechen, dass man ihn dort kennt. Er wird auch kein Auto haben, da er den Torso sonst nicht auf dem Schulgelände abgelegt, sondern ihn vermutlich an einer einsamen Stelle außerhalb des Wohngebietes versteckt hätte. Da er den gut 55 kg schweren Torso kaum eine längere Strecke getragen haben wird, steht ihm wahrscheinlich ein Fahrrad oder ein Handwagen zum Transport zur Verfügung. Auch die zum Abtrennen der Extremitäten benutzte Säge ließ sich in die Profilerstellung einbeziehen: Scheinbar ohne Probleme kann der Täter am Neujahrstag auf das Werkzeug zurückgreifen. Bedeutete dieser Umstand, dass er möglicherweise Handwerker oder Hobbybastler ist?
    Auch Agnes Brendels Lebensweise und Freizeitverhalten ließen weitere Aussagen zu: Der Täter hält sich vermutlich in den Gaststätten auf, die auch von ihr besucht werden. Und auch er scheint dem Alkohol nicht abgeneigt zu sein, denn wer gibt sich nüchtern schon mit einer sturzbetrunkenen Frau mit fast 3 Promille Alkohol im Blut ab?
    Dieses »Täterprofil«, das im Original etwa eine halbe DIN-A4-Seite füllte, ließ ich an die rund hundert Kriminalbeamten verteilen, die mir für die Überprüfung zur Verfügung standen. Für diesen Zweck war unsere etwa fünfundzwanzigköpfige Kommission um Kollegen aus anderen Kommissariaten erweitert worden. Diese suchten in den nächsten vierzehn Tagen über 4000 Wohnungen in einem Umkreis von einem Kilometer vom Fundort auf. Wie im Profil beschrieben, konzentrierten sie sich dabei auf allein lebende Männer. Doch alle Überprüfungen verliefen erfolglos. Nirgendwo fanden die Kollegen Blut: in keiner Wohnung, in keinem Keller, auf keinem Boden. Ein deprimierendes Ergebnis. Der ganze Aufwand schien umsonst gewesen zu sein.
    Zudem verschlechterte sich die Stimmung in der Mordkommission von Tag zu Tag. Hatten wir doch alle seit dem Fund des Torsos täglich 16 bis 18 Stunden am Tag gearbeitet und kaum geschlafen. Auch an den Wochenenden.
    Hatte ich mich in meiner Analyse und dem Täterprofil geirrt? Oder hatte ich wesentliche Informationen bei der Beurteilung des Falls übersehen?
    Um eine Antwort auf diese entscheidende Frage zu finden, blieb mir nichts anderes übrig, als die inzwischen weit über zweihundert eingegangenen Hinweise noch einmal zu lesen und gegebenenfalls neu zu bewerten. Es waren auch einige neue dabei, aber meine Aufmerksamkeit erregte eine Zeugenaussage älteren Datums. Der Imbissbesitzer Harry Stölzel hatte zu Protokoll gegeben, dass Agnes Brendel am 29. Dezember abends bei ihm im Imbiss gewesen sei. Sie habe dort seinen Stammgast Walter Krabonke getroffen, der ihr einige Biere spendiert habe. Schon nach kurzer Zeit hätten sich die beiden zur Belustigung der anderen Gäste heftig geküsst. Beim Verlassen des Ladens seien beide »ganz schön voll gewesen; ich würde wetten, der hat die dann zu Hause gleich flachgelegt«.
    Walter Krabonke war bereits von Kollegen überprüft worden. Er hatte tatsächlich bestätigt, Agnes Brendel ein paar Getränke ausgegeben und mit ihr »so um zehn rum« den Imbiss verlassen zu haben. Er habe mit ihr schlafen wollen, doch dann habe man sich noch auf der Straße vor seinem Haus getrennt. Laut Krabonke wollte Agnes Brendel nicht in seine Wohnung mitkommen, da er ihr nur Wein anbieten konnte. Den habe Agnes aber nicht gewollt. Sie sei ziemlich uneinsichtig gewesen und habe penetrant auf Bier und Korn beharrt. Dann sei sie gegangen. Wohin, das wisse er nicht. Er habe die Frau seither nicht mehr gesehen.
    Seine Wohnung hatte Krabonke freiwillig für eine Durchsuchung zur Verfügung gestellt. »Klar, verstehe ich doch. Sie müssen Ihre Arbeit machen. Sehen Sie sich in aller Ruhe um.« Die Durchsuchung war jedoch negativ verlaufen. Die Beamten fanden keine Blutspuren oder persönliche
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