Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
Vom Netzwerk:
abgewehrt. Egon Finck sei nicht dabei gewesen. Ein Arbeitskollege von Egon Finck bestätigte uns später, er habe sich zu der Zeit mit ihm in seiner Wohnung betrunken.
    Nachdem der Nachbar gegangen war, hatte es Agnes Brendel anscheinend nicht mehr lange in ihrer Wohnung ausgehalten, denn etwa eine halbe Stunde später beobachtete eine Zeugin aus der Siedlung, wie sie in Richtung Innenstadt ging. Die Frau wunderte sich darüber, galt Agnes Brendel doch als »Pflanze« ihres Stadtteils und verkehrte eigentlich nur in Lokalen in der Nähe ihrer Wohnung.
    Überhaupt schien Agnes Brendel in der Silvesternacht ruhelos und sehr mobil gewesen zu sein. Gegen 4 Uhr war sie bereits in ihren Stadtteil zurückgekehrt und fiel der Wirtin einer Gaststätte dadurch auf, dass sie ziemlich betrunken war und sich von einem unbekannten Gast Sekt ausgeben ließ. Wie lange Agnes Brendel sich in der Gaststätte aufgehalten hatte und ob sie mit dem spendablen Gast weitergezogen war, ließ sich nicht weiter ermitteln.
    Lange konnte Agnes Brendel an diesem Morgen nicht geschlafen haben, denn am 1. Januar war sie schon wieder früh unterwegs. Das sagte jedenfalls der Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes aus. Schon um 10 Uhr sei Agnes Brendel mit ihm beim Verlassen ihrer Siedlung ins Gespräch gekommen und habe ihm ein schönes neues Jahr gewünscht. Der Mann wunderte sich, dass sie schon so früh auf den Beinen war. Normalerweise hätte sie nach seiner Meinung um diese Zeit noch ihren Rausch ausschlafen müssen. Und noch eine andere Zeugin, die Agnes Brendel kurze Zeit später sah, wunderte sich über ihr frühes Aufstehen. Vermutete dann aber, dass sie wohl ihren »Nachdurst« in einer Gaststätte löschen wollte. Wohin Agnes Brendel wirklich ging und wie sie den Neujahrstag verbrachte, konnten wir nicht rekonstruieren. Erst gegen 17 Uhr wurde sie noch ein letztes Mal von einer weiteren Nachbarin gesehen – vermutlich auf dem Nachhauseweg. Das habe ihr Agnes Brendel in einem kurzen Gespräch gesagt.
    Für die Zeit danach rissen die Hinweise auf Agnes Brendels Aufenthaltsorte bis zu ihrem Tod endgültig ab. War sie tatsächlich nach Hause gegangen, wie sie der Nachbarin gesagt hatte? Oder hatte sie ihren späteren Mörder zufällig auf der Straße getroffen und war ihm in seine Wohnung gefolgt? Diese Fragen konnten wir zunächst nicht beantworten. Aber viel Zeit konnte bis zu ihrem Tode nicht vergangen sein, denn inzwischen hatte ich das Gutachten zur Bestimmung der Todeszeit erhalten: Agnes Brendel war demnach vermutlich am späten Nachmittag oder frühen Abend des Neujahrtages gestorben.
    Mit der Berechnung des Todeszeitpunktes hatte ich einen externen Rechtsmediziner beauftragt. Der wendete ein damals noch ganz neues Verfahren an, bei dem die Parameter Körpergewicht, Bekleidungszustand, Umgebungs-und Leichentemperatur zur Fundzeit mit der Abkühlung der Leiche ins Verhältnis gesetzt werden. Nach dem Tod eines Menschen endet seine Stoffwechselund Wärmeproduktion, und der Körper kühlt allmählich aus, bis er sich seiner Umgebungstemperatur angeglichen hat. Allerdings bleibt nach dem Tod die Körperkerntemperatur von 37°C noch etwa zwei bis drei Stunden erhalten. Dann nimmt sie pro Stunde etwa um 1°C ab. Diese damals noch neue Methode zur Todeszeitbestimmung ist inzwischen längst Standard.
    Je genauer die Todeszeit bestimmt werden kann, desto besser können Ermittler natürlich auch die Alibis von Verdächtigen überprüfen.
    Der Rechtsmediziner teilte mir auch mit, dass er im Magen von Agnes Brendel Reste von Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken und Zitrusfrüchten nachgewiesen hatte, die sie kurz vor ihrem Tode noch gegessen haben musste. War sie am 1. Januar doch nach Hause gegangen und hatte dort vom Kartoffelsalat gegessen?
    Während wir die letzten Tage in Agnes Brendels Leben bis auf einige Stunden genau recherchierten, begann parallel die intensive und zeitaufwendige Fahndung nach dem Täter. Ich versuchte, aus all den Hinweisen und Fakten, die uns zu dem Zeitpunkt vorlagen, Rückschlüsse auf den Täter zu ziehen. Im Grunde wollte ich damit aus der Not eine Tugend machen. Wir hatten zwar das Opfer identifiziert, aber die letzten Stunden von Agnes Brendel waren noch immer nicht rekonstruierbar, und wir verfügten über keinerlei am Fundort hinterlassene Spuren. Also dachte ich darüber nach, was das wenige, was wir wussten, über den Täter aussagte. Ohne es auch nur zu ahnen, wandte ich damit eine zentrale Profiling-Methode an: Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher