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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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ein Gesicht, von dem wir Fotos hätten machen und herumzeigen können – das hieß: Für erste Hinweise auf die Identität des Opfers und die Motivation des Täters mussten wir die rechtsmedizinische Untersuchung abwarten. Die Obduktion sollte unter anderem klären, welche Verletzungen und Verstümmelungen der Täter seinem Opfer konkret zugefügt hatte und wann sie entstanden waren: bereits zu Lebzeiten, also vital , oder erst nach dem Tode, also postmortal . Ich hoffte, die Antworten auf diese Fragen würden dazu beitragen, die Gründe für die Verstümmelung zu erkennen.
    Aber zunächst richtete ich mein Augenmerk auf die Klärung der Todesursache und die Identifizierung der ermordeten und verstümmelten Frau. Also ließ ich den Torso vom Fundort durch ein Beerdigungsinstitut in die Pathologie transportieren. Hier begann ein Rechtsmediziner in meinem Beisein die Tote zu obduzieren:
    Die Frau hatte tatsächlich Würgemale am Hals, Einblutungen im Bereich der Schilddrüse sowie überblähte Lungenflügel. Diese Befunde sprachen für einen Tod durch Erwürgen.
    Die Wundränder an den Stümpfen sahen aus, als wären Kopf und Gliedmaßen laienhaft mit einer Feinsäge amputiert worden. Bei einer späteren mikroskopischen Untersuchung konnten wir erkennen, dass der Täter bis zu vierzigmal pro Knochen das Werkzeug ansetzen musste, bis es ihm endlich gelang, ihn durchzusägen.
    Und noch eine Besonderheit wurde sichtbar: Das Abschneiden des Kopfes schien dem Täter nicht leichtgefallen zu sein. Zahlreiche oberflächliche und parallel verlaufende Schnitte am Hals des Opfers zeigten, dass der Täter gezögert haben musste, bevor er den Kopf abtrennte. Solche vorsichtigen Versuche werden als Probierschnitte bezeichnet. Damit dokumentierte der Täter nach meiner Einschätzung seine Unsicherheit. So kenne ich es auch von Selbstmördern, die sich zunächst eher zaghaft und oberflächlich an den Hals-oder Handgelenksgefäßen verletzen, bevor sie sich die finalen und tödlichen Schnitte oder Stiche zufügen.
    Auch die Brüste und die äußeren Geschlechtsorgane seines Opfers hatte der Täter nicht verschont. Diese hatte er mit einem scharfen Messer sehr sauber und vollständig herausgeschnitten.
    Neben den beschriebenen Verstümmelungen hatte der Täter die Frau noch weiter verletzt:
    Dort, wo sich ursprünglich die rechte Brust befand, hatte er einmal mit dem Messer zugestochen. Auch Unterbauch und linker Oberschenkel wiesen jeweils eine Stichverletzung auf. Während bei den Stichverletzungen im Oberkörper nicht geklärt werden konnte, ob sie dem Opfer vor oder nach dem Tod zugefügt worden waren, ließen sich alle anderen Verletzungen als postmortal bestimmen.
    Außerdem hatte sich der Täter sexuell an seinem Opfer vergangen: Verletzungen am After deuteten auf eine Penetration mit einem stumpfen Gegenstand hin, in der Vagina der Toten fand der Obduzent Spermien. Ob der Geschlechtsverkehr vor oder nach der Tat stattgefunden hatte, konnten Obduktion und Laboruntersuchung der Spermien nicht klären.
    Nachdem die Todesursache ermittelt war, ging es jetzt bei der Obduktion darum, körperliche Merkmale zur Identifizierung der Frau zu finden. Denn wie bei allen Tötungsdelikten galt: Sobald ich wusste, wer die verstümmelte Frau war, konnten weitere Ermittlungen die wichtigen Fragen beantworten: Wo hat sie gelebt? Wie waren ihre persönlichen und familiären Verhältnisse? Wann und wo war sie zuletzt gesehen worden? Wie hatte sie ihre Freizeit verbracht?
    Antworten auf diese Fragen liefern bei Mordermittlungen zum einen Verwandte, aktuelle oder ehemalige Sexualpartner und Freunde, Bekannte, Kollegen oder Geschäftspartner. Sehr häufig ist der Täter oder die Täterin unter diesen zu finden. Zum anderen kann uns das Wissen über die Aufenthaltsorte des Opfers aber auch weiterhelfen, falls das Verbrechen von einem vollkommen Fremden begangen wurde. Denn der Ort, an dem ein Verbrechen begann, gibt uns natürlich auch Aufschluss über den Täter.
    Zu diesem Zeitpunkt der Ermittlung hoffte ich darauf, dass es gelingen würde , eine Täter-Opfer-Beziehung herzustellen. Ansonsten mussten wir mit vielen Hinweisen auf potenzielle Täter rechnen . Da läge dann der Vergleich mit der berühmten Nadel im Heuhaufen nahe.
    Nach der Obduktion stand fest: Die Frau war etwa fünfzig Jahre alt geworden, hatte nie ein Kind entbunden und war auffällig klein: nur etwa 145 cm groß, buckelig und dabei relativ dick. Die geringe Körpergröße erklärte
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