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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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Entscheidungen trifft. Die Interpretation dieser Spuren gleicht daher manchmal dem Gang durch ein Labyrinth, denn den wahren Grund für seine Handlung kennt nur – wenn überhaupt – der Täter allein.
    Manchmal hilft mir schon allein die Feststellung, dass ein bestimmtes, für den Täter besonders bedeutendes Verhalten vorliegt, um eine Ermittlungsrichtung vorzuschlagen.
    Und noch einen Aspekt muss ich bei meiner Arbeit berücksichtigen: Entscheidend ist nicht nur die Betrachtung des einzelnen Details, sondern es ist die Gesamtheit der Spuren.
    Profiling wurde in den USA schon professionell praktiziert, als der Begriff in Deutschland noch nicht einmal richtig bekannt war. Das deutsche Profiling ist die Geschichte des verspäteten Imports einer kriminalistischen Methode aus den USA. Bereits Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts begannen Mitarbeiter des FBI im Nationalen Analysezentrum für Verhaltensforschung (National Center for the Analysis of Violent Crime), Morde zu untersuchen, bei denen die Täter außergewöhnliches und für die Kriminalisten nicht erklärbares Verhalten gezeigt hatten wie Verstümmelungen, degradierendes Ablegen der Leichen, exzessive Gewalt.
    Erste Antworten gaben Interviews von sechsunddreißig verurteilten Serienmördern, die erklärten, weshalb sie nach bestimmten Mustern getötet und welche Tatmotive sie dabei angetrieben hatten. 1999 begann auch ich mich – mittlerweile war ich stellvertretender Leiter des Kommissariates für Gewaltdelikte – für diese Methode zu interessieren: Hieß bis dahin mein kriminalistischer Ansatz: »Wer hat das getan?«, fragte ich mich jetzt: »Welche Bedeutung hat bestimmtes Täterverhalten?«
    Mich faszinierte auch die Vorstellung, dass es durch die Bewertung dieses Verhaltens auf einmal möglich sein sollte, nicht nur das Tatgeschehen zu rekonstruieren, sondern auch das Motiv des Täters zu bestimmen und sein psychologisches Profil zu erstellen, das – fingerabdruckgleich – seine Persönlichkeit beschreiben könnte. Heute weiß ich, dass dieser Ansatz, auch wenn er nicht alle meine Erwartungen erfüllen konnte, prinzipiell richtig ist.
    Als Fallanalytiker gehe ich davon aus, dass es an jedem Tatort Spuren gibt, aus denen sich ein Bild vom Täter erstellen lässt, ein Profil. Ein kriminalistischer Ansatz, der im Laufe der Jahre für mich immer größere Bedeutung bekam: die Auseinandersetzung mit der Frage, was genau ist bei einem Verbrechen passiert und warum gerade in dieser Form?
    Dass in Deutschland rund neunzig Prozent aller Tötungsdelikte eher schnell aufgeklärt werden, bedeutet nicht, dass es bei den übrigen Fällen dann eben nur ein bisschen länger dauert. Sondern es bedeutet vor allem, dass nicht alle Fälle gelöst sind, zumindest noch nicht. Etwas zugespitzt kann ich sagen, dass es zu den wichtigsten Aufgaben von Profilern gehört, unlösbare Fälle zu lösen.
    Wie versuchen wir das? Wir bearbeiten einen Fall auch dann noch, wenn wir ein Opfer, aber keine unmittelbar Verdächtigen haben – und nur einen einzigen Zeugen, der zudem stumm ist: den Tatort. Den analysieren wir sehr viel differenzierter und operativer, als dies vorher in der Geschichte der deutschen Kriminalistik üblich war. Aber daran arbeiten wir Fallanalytiker nicht allein: Rechtsmediziner, Psychologen, Psychiater und Experten auf unterschiedlichsten Gebieten und für unterschiedlichste Milieus unterstützen uns bei dieser Aufgabe, so dass sich nach und nach ein vielschichtiges, ein interdisziplinäres Bild des Tatgeschehens ergibt und das Profil des Täters aus mehreren Perspektiven bewertet wird. Das gehört für mich zum professionellen Arbeiten. Die Tätersuche ist definitiv keine One-Man-Show.
    In diesem Buch berichte ich in fünf Kapiteln über meine kriminalistische Arbeit – teils als Mordermittler, teils als Fallanalytiker – an zwölf Verbrechen aus meiner beruflichen Praxis, alte Fälle aus den Anfängen meiner Arbeit und neuere. Selbstverständlich sind Namen, Zeiten und Orte geändert, um die Anonymität der Betroffenen zu wahren. Aber ich habe der Versuchung widerstanden, den Unterhaltungswert der geschilderten Fälle zu steigern, indem ich sie ausschmücke oder etwas hinzuerfinde. Ebenso wenig verschweige ich Irrwege, falsche Ermittlungsresultate oder persönliche Unsicherheiten. Denn all das gehört zu meiner Arbeit. Ich will mich hier schließlich nicht zum unfehlbaren »Star-Profiler« stilisieren, sondern Ihnen einen ungeschönten
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