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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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Straße entfernt auf der Zufahrt zur Schule abgelegt. Hatte offensichtlich nicht einmal den Versuch unternommen, die Leiche auch nur ansatzweise zu verbergen. Lange konnte der Torso dort nicht gelegen haben, denn die Schule befand sich mitten in einem Wohngebiet, und auf dem Hof lagen abgebrannte Feuerwerkskörper der Silvesternacht. Diese Vorgehensweise des Täters deutete darauf hin, dass er in großer Eile gehandelt hatte. Wie und wo er die Leiche ablegte, war ihm nicht wichtig gewesen. Wichtig war für ihn nur, dass die Tote nicht dort bleiben konnte, wo er sie getötet hatte.
    Der Torso der Frau steckte in zwei großen blauen Plastiksäcken, die jeweils einzeln über die Schultern bzw. die Beinstümpfe der Toten gezogen waren. Die Plastiksäcke waren herkömmliche Massenware, wie sie in jedem Supermarkt oder Baumarkt verkauft werden, weshalb sie uns keine speziellen Ermittlungsansätze boten.
    Heftiger Wind hatte die Beutel aufgeweht, so dass der verstümmelte Körper zu sehen war. Auch mussten die Säcke längere Zeit im Regen gelegen haben, da sich auf ihnen fast ein Liter Wasser angesammelt hatte. Diese Feststellung war ein erster Ansatz, um den Zeitpunkt der Leichenablage zu bestimmen. Ich rief später vom Büro beim Wetteramt an und erfuhr, dass es am Vortag ab 18.10 Uhr bis in die Nacht um 2.20 Uhr stark geregnet hatte. Danach war es trocken geblieben.
    Den Anblick von Toten war ich gewohnt, doch einen solchen verstümmelten und geschändeten Frauenkörper hatte ich noch nie gesehen. Obwohl ich gespannt auf den Anblick der Toten war und alle Details sehen wollte, musste ich an das Leid des Opfers denken und mich überwinden, genauer hinzusehen. Es drängten sich mir sofort die Fragen auf: »Wer tut so was?« und »Warum muss der Täter die Ermordete auch noch so zurichten?«. Heute würde ich eine solche Nähe nicht mehr zulassen, nach über dreißig Jahren als Ermittler, Mordkommissionsleiter und Fallanalytiker kann ich inzwischen vieles ausblenden und mich einfach auf die Fakten konzentrieren.
    Ich beugte mich über die Leiche und sah ein Bild der Zerstörung. Der Kopf der Toten fehlte; Brüste und Schambereich waren herausgeschnitten. Von Hals, Armen und Beinen waren nur noch Stümpfe vorhanden. An dem, was von ihrem Hals übrig war, zeichneten sich deutlich Kratzer und Hämatome ab. Vermutlich war die Frau erwürgt worden.
    Das Ergebnis der Spurensuche war enttäuschend: Die Beamten des Erkennungsdienstes konnten keine weiteren Spuren sichern, die vom Täter stammten: keine Zigarettenkippen, keine weggeworfenen Gegenstände, keine Reifen-oder Schuhspuren im feuchten Boden. Sofern es Letztere gegeben hatte, waren sie durch den heftigen nächtlichen Regen vernichtet worden. Auch die Durchsuchung des Schulgeländes verlief erfolglos. Weder die fehlenden Körperteile der Toten noch Kleidungsstücke oder persönliche Gegenstände wurden gefunden.
    Damit befand sich unsere Mordkommission gleich in dreifacher Hinsicht in einer schlechten Ausgangslage für die Aufklärung des Verbrechens:
     

Wir hatten nur einen Leichenfundort, kannten also den Tatort nicht.
Die Leiche war verstümmelt, was die Identifizierung erheblich erschwerte.
Es gab keine Gegenstände, die uns bei der Identifizierung des Opfers und der Suche nach dem Täter hätten weiterhelfen können.
    Was wir hatten, war eine Leiche ohne Kopf, Hände und Füße, die zudem in Brust-und Schambereich verstümmelt war.
    Solche extremen Verstümmelungen von Leichen geschehen sehr selten, nicht nur in Bremen, sondern überall auf der Welt. Ich selbst habe in drei Jahrzehnten nur fünf Fälle bearbeitet.
    Wenn Täter einen Menschen oder eine Leiche verstümmeln, tun sie das nie zufällig. In allen Fällen ist es ein spezielles Bedürfnis oder ein innerer Drang, der sie dazu treibt. Das hat auch Auswirkungen auf die Ermittlungen. So muss außer dem Tatmotiv auch das Motiv zur Verstümmelung geklärt werden.
    Der hier beschriebene Fall soll Ihnen ein detailreiches Bild vermitteln, wie in einem solchen Fall die Tätersuche verläuft. Dabei werden Sie auch Zeuge einer ausführlichen Vernehmung werden und quasi mit im Gerichtssaal sitzen. Denn auch die Bewertungen durch Gutachter und Richter gehören zum Gesamtbild. Erst alles zusammen zeigt, wie komplex die Bearbeitung jedes einzelnen Verbrechens ist. Und was vereinfacht gern als »das Böse« bezeichnet und verurteilt wird.
    Ein Fundort ohne sichtbare Täterspuren und ein Opfer ohne Kopf und damit auch ohne
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