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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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Gegenstände von Agnes Brendel.
    Auf den Teppichböden im Flur und Schlafzimmer gab es jedoch kleinere rotbraune Flecken. »Ja, da ärgere ich mich auch drüber«, hatte Walter Krabonke erklärt, »das ist von der Beize.« Walter Krabonke zeigte den Kollegen auch gleich die braun gebeizten Hölzer, die er zur Renovierung seiner Wohnung vorbereitet hatte. Die Kollegen waren nicht misstrauisch geworden, zumal er ja nicht als Hauptverdächtiger galt und die Begegnung mehrere Tage vor Agnes Brendels Tod stattgefunden hatte.
    Allerdings war die Überprüfung seines Alibis für den 1. Januar nur bedingt möglich gewesen. Walter Krabonke hatte nachweislich an Silvester ab 17 Uhr bis zum nächsten Morgen Objektschutz bei einem Wachdienst versehen, für den er gelegentlich arbeitete. Danach sei er mit seinem Fahrrad nach Hause gefahren, wo er sich gegen 8 Uhr ins Bett gelegt und bis zum Mittag geschlafen habe. Nach seiner Aussage hatte er sich noch im Fernsehen einen Spielfilm angesehen und war danach ins Bett gegangen, da er am nächsten Tag früh zur Arbeit musste. Zeugen, die seine Angaben hätten bestätigen können, gab es nicht. Walter Krabonke lebte alleine.
    Das klang alles plausibel und konnte der Wahrheit entsprechen. Aber ich war auf der Suche nach Ungereimtheiten, die mir einen Ansatzpunkt lieferten. Die festgefahrenen Ermittlungen sollten endlich wieder in Gang kommen. Skeptisch machten mich die rotbraunen Flecken auf dem Teppichboden. Und war es glaubhaft, dass Krabonke keinen eigenen Keller besaß und nur den allgemeinen Fahrradkeller mitbenutzen konnte? Immerhin wohnte er in einem Mehrfamilienhaus, in dem allen anderen Mietern Kellerräume zur Verfügung standen. Außerdem machte mich noch etwas stutzig: Weshalb sollte Agnes Brendel, die doch so gerne trank und ziemlich wahllos Beziehungen mit Männern einging, sich auf einmal von Walter Krabonke auf der Straße getrennt haben, zumal sie kein Geld für weitere Drinks hatte? Würde eine volltrunkene Frau wirklich so wählerisch sein, dass sie Wein kategorisch ablehnte?
    Ich versuchte mir die Situation vorzustellen: Krabonke und Agnes Brendel sind völlig besoffen. Er investiert Geld und will sich einen schönen Abend machen. Zunächst läuft auch alles nach Plan, doch dann fängt Agnes Brendel an zu zicken und will angeblich nur Bier und Korn trinken, auf keinen Fall Wein. Und das, obwohl sie Alkoholikerin ist. Wie wahrscheinlich ist das? Würde ein Mann wie Walter Krabonke nicht versuchen, die Frau umzustimmen? Wie glaubhaft ist es, dass er sich einfach abspeisen lässt? Und wohin sollte sie anschließend gegangen sein? Nach Hause offensichtlich nicht, denn dann hätte ihr Freund Egon Finck sie ja sehen oder ihren Aufenthalt bemerken müssen. Diese Zweifel an der Aussage von Walter Krabonke reichten mir. Auch wenn es nur eine Annahme, eine Vermutung ist, gilt für mich als Ermittler die Devise: Will ich eine Tat aufklären, muss ich manchmal auch meinem Bauchgefühl nachgehen. Vielleicht konnte man mein Bauchgefühl ja auch Gespür nennen. Also entschied ich, dass Walter Krabonke noch einmal überprüft werden musste. Aber zunächst wollte ich mehr über ihn wissen.
    Wieder wandte ich unbewusst eine Methode des Profilings oder der Fallanalyse an. Durch meine Zweifel an der Aussage eines potenziell Tatverdächtigen motiviert, recherchierte ich dessen Vergangenheit und sammelte Hinweise auf seine Persönlichkeit: aus seiner Biografie, die Rückschlüsse auf seine Sozialisation ermöglichte, und aus den mir zur Verfügung stehenden polizeilichen Informationsquellen, wie zum Beispiel der Kriminalakte, der Meldedatei, des Straßenverkehrsamtes oder Befragungen von Menschen, die Walter Krabonke kannten. Die zentrale Frage bei diesem Vorgehen lautet: Gibt es Übereinstimmungen mit dem erstellten Täterprofil, oder fällt der Verdächtige durch das Raster?
    Krabonke wurde während des Krieges in der Nähe von Gumbinnen in Ostpreußen geboren und war im Januar 1945 mit seiner Mutter und seinen Großeltern vor den herannahenden russischen Truppen nach Bremen geflüchtet. Sein Vater hatte als Soldat an der Ostfront gedient, geriet dort in russische Kriegsgefangenschaft und war erst 1955 nach dem Adenauer-Besuch in Moskau nach Deutschland zurückgekehrt. Bald darauf wurde Walter Krabonkes Schwester geboren. Für ihn war kein Platz mehr in der kleinen Wohnung, und er wurde bis zu seinem sechzehnten Geburtstag zu seinen Großeltern verfrachtet. Während Krabonkes
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