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Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers
Autoren: Ken Follett
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erhalten – und eine Kugel in die Wade, die Schwachstelle jedes Hubschrauberpiloten. In jenem Jahr hatte er die Erfahrung gemacht, daß er sich im Kampf selbst – wenn es alle Hände voll zu tun und keine Zeit zum Angsthaben gab – ganz gut in der Hand hatte; doch nach jeder Rückkehr von einem Einsatz, wenn alles vorbei war und er darüber nachdenken konnte, was er getan hatte, zitterten ihm die Knie.
    In mancher Hinsicht war er dankbar für diese Erfahrung. Er war schnell erwachsen geworden, und das hatte ihm gegenüber seinen Altersgenossen im Berufsleben einen gewissen Vorteil verschafft. Es hatte ihm außerdem einen gesunden Respekt vor Schüssen eingeimpft.
    Aber die meisten seiner Kollegen empfanden das anders als er, und ihre Frauen ebenso. Jedesmal wenn eine Evakuierung zur Debatte stand, stemmten sie sich dagegen. Sie hatten Zeit, Arbeit und persönlichen Ehrgeiz in die EDS Corporation Iran investiert, und all das wollten sie nicht so ohne weiteres im Stich lassen. Ihre Frauen hatten die jeweilige Mietwohnung in ein richtiges Zuhause verwandelt, und allenthalben wurden Pläne für Weihnachten geschmiedet. Die Kinder hatten ihre Schulen, ihre Freunde, ihre Fahrräder und Haustiere. Wenn wir uns nur ruhig verhalten und abwarten, so sagtensie sich, dann wird das Gewitter schon wieder abziehen.
    Coburn hatte versucht, Liz zu überreden, mit den Kindern in die Staaten zurückzukehren – nicht nur ihrer eigenen Sicherheit wegen, sondern weil die Zeit kommen mochte, da er 350 Personen auf einen Schlag evakuieren mußte, eine Arbeit, der er seine ungeteilte Aufmerksamkeit würde widmen müssen, ohne daß ihn private Ängste um seine Familie ablenkten. Liz hatte abgelehnt.
    Beim Gedanken an Liz seufzte er. Sie war lustig und lebhaft, und jedermann schätzte ihre Gesellschaft, aber sie war keine gute Ehefrau für einen Konzernangestellten. EDS verlangte eine Menge von ihren Führungskräften. War es zur Durchführung einer Aufgabe erforderlich, eine ganze Nacht durchzuarbeiten, dann arbeitete man eben die ganze Nacht. Liz lehnte so etwas ab. Daheim in den Staaten war Coburn als Einstellungsleiter häufig von Montag bis Freitag im ganzen Land unterwegs gewesen, und Liz hatte das gehaßt. In Teheran war sie glücklich, weil er jeden Abend nach Hause kam. Wenn er hierbliebe, sagte sie, so bliebe sie ebenfalls. Auch den Kindern gefiel es hier. Sie lebten zum erstenmal außerhalb der Vereinigten Staaten und waren fasziniert von der fremden Sprache und Kultur. Kim, mit elf Jahren die Älteste, verfügte über zuviel Selbstvertrauen, um Angst zu haben. Kristi mit ihren acht Jahren war zwar ein wenig ängstlich, aber sie war ohnehin sehr gefühlsbetont und reagierte von allen am schnellsten und heftigsten. Der siebenjährige Scott und Kelly, mit vier Jahren die Jüngste, waren beide noch zu klein, um die Gefahr zu begreifen.
    Also blieben sie, wie alle anderen, und warteten darauf, daß sich die Dinge zum Guten wenden würden – oder zum Schlechten.
    Coburn wurde in seinen Gedanken durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen, und Madjid kam herein, einkleiner, stämmiger Mann um die Fünfzig mit einem üppigen Schnauzbart. Er war einmal recht wohlhabend gewesen; sein Stamm hatte große Ländereien besessen, diese jedoch bei der Landreform in den sechziger Jahren verloren. Nun arbeitete Madjid als Coburns Assistent in der Verwaltung und war für die iranische Bürokratie zuständig. Er sprach fließend Englisch und war höchst einfallsreich. Coburn mochte ihn sehr; Madjid hatte sich schier ein Bein ausgerissen, um ihm und seiner Familie bei der Ankunft im Iran behilflich zu sein.
    »Herein mit Ihnen«, sagte Coburn. »Setzen Sie sich. Was gibt’s?«
    »Es ist wegen Farah.«
    Coburn nickte. Farah war Madjids Tochter und arbeitete mit ihrem Vater zusammen. Sie hatte dafür zu sorgen, daß alle amerikanischen Mitarbeiter stets über gültige Visa und Arbeitsgenehmigungen verfügten. »Irgendwas nicht in Ordnung?« fragte Coburn.
    »Die Polizei hat sie aufgefordert, zwei amerikanische Pässe aus unseren Akten zu nehmen, ohne irgend jemandem etwas zu sagen. «
    Coburn runzelte die Stirn. »Ganz bestimmte Pässe?«
    »Die von Paul Chiapparone und Bill Gaylord.«
    Paul war Coburns Chef, der Leiter der EDS Corporation Iran. Bill war sein Vize und Manager ihres größten Projektes, dem Auftrag des Gesundheitsministeriums.
    »Was, zum Teufel, geht da vor?« wollte Coburn wissen.
    »Farah ist in großer Gefahr«, sagte Madjid.
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