Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
und tags darauf wurden über hundert Menschen, die an einer Demonstration auf dem Jalehplatz im Herzen Teherans teilnahmen, von Soldaten getötet. Als die Chiapparones in den Iran zurückkamen, schien sich alles verändert zu haben, selbst die Luft. Erstmals hörten auch Paul und Ruthie des Nachts Schüsse auf der Straße. Das beunruhigte sie; plötzlich ging ihnen auf, daß Unruhen unter den Iranern Unruhe für sie selber bedeutete. Es kam zu einer Welle von Streiks. Dauernd wurde der Strom abgeschaltet, so daß sie bei Kerzenlicht zu Abend aßen und Paul im Büro seinen Mantelanbehielt, um sich warm zu halten. Es wurde zunehmend schwieriger, den Banken Bargeld zu entlocken, und Paul richtete einen Scheckeinlösungsdienst für die EDS-Mitarbeiter ein. Als ihnen zu Hause das Heizöl auszugehen drohte, mußte Paul so lange in den Straßen herumlaufen, bis er einen Tankwagen fand, dessen Fahrer sich schmieren ließ und ihnen Öl lieferte.
    Schlimmer noch waren die geschäftlichen Probleme. Der Minister für Gesundheit und Soziales, Dr. Scheikholeslamizadeh, war verhaftet worden, und zwar nach Artikel 5 des Kriegsrechts, der es dem Staatsanwalt erlaubte, jedermann ohne Angabe von Gründen ins Gefängnis werfen zu lassen. Auch der stellvertretende Minister Reza Neghabat, mit dem Paul eng zusammengearbeitet hatte, saß im Gefängnis. Das Ministerium hatte die Juni-Rechnung noch immer nicht bezahlt und alle folgenden schon gar nicht; mittlerweile schuldete es EDS über vier Millionen Dollar.
    Zwei Monate lang versuchte Paul, das Geld einzutreiben. Die Beamten, mit denen er vormals zu tun gehabt hatte, waren nicht mehr da. Ihre Nachfolger pflegten nicht auf seine Anrufe zu reagieren. Ab und zu versprach ihm jemand, sich mit der Sache zu beschäftigen und ihn dann zurückzurufen. Nach einer Woche Warten auf den Anruf telefonierte Paul selbst wieder, erfuhr aber lediglich, sein Gesprächspartner aus der vorigen Woche habe inzwischen das Ministerium verlassen. Sitzungen wurden anberaumt und wieder abgesagt. Die Schulden beliefen sich auf 1,4 Millionen Dollar monatlich.
    Am vierzehnten November schrieb Paul an Dr. Heidargholi Emrani, dem für die Sozialversicherung zuständigen Staatssekretär, und machte formell darauf aufmerksam, daß EDS die Arbeit einstellen werde, wenn das Ministerium nicht innerhalb eines Monats zahle. Am vierten Dezember wurde die Mahnung wiederholt, diesmal durch Pauls Chef, den Präsidenten von EDS World, undzwar bei einer persönlichen Begegnung zwischen ihm und Dr. Emrani.
    Das war gestern gewesen.
    Wenn EDS sich zurückzog, so würde das gesamte iranische Sozialversicherungssystem zusammenbrechen. Andererseits wurde aber auch immer klarer, daß das Land bankrott war und die Rechnungen schlicht und einfach nicht bezahlen konnte. Was, so fragte sich Paul, würde Dr. Emrani jetzt tun?
    Daran rätselte er noch immer herum, als Jay Coburn in sein Büro kam und ihm die Lösung präsentierte.
    Im ersten Moment jedoch kam Paul gar nicht auf den Gedanken, daß der Versuch, sich seines Passes zu bemächtigen, darauf abzielte, ihn – und damit EDS – im Iran festzuhalten.
    Nachdem ihm Coburn Bericht erstattet hatte, sagte er: »Warum, zum Teufel, haben sie das getan?«
    »Ich weiß es nicht, Madjid weiß es nicht, und Farah weiß es auch nicht.«
    Paul sah ihn an. Im Laufe des vergangenen Monats waren er und Coburn sich nähergekommen. Allen anderen Mitarbeitern gegenüber machte er gute Miene zum bösen Spiel, zu Coburn konnte er jedoch hinter verschlossenen Türen sagen: »Okay, und was hältst du wirklich davon?«
    »Zuerst einmal fragt sich«, sagte Coburn, »was tun wir mit Farah? Sie könnte Schwierigkeiten bekommen.«
    »Sie muß ihnen irgendeine Ausrede auftischen.«
    »So tun, als spiele sie mit?«
    »Sie könnte hingehen und ihnen sagen, daß Nyfeler und Bucha nicht mehr hier ansässig sind ...«
    »Das hat sie ihnen schon gesagt.«
    »Zum Beweis könnte sie ihre Ausreisevisa mitnehmen ...«
    »Hm«, sagte Coburn unschlüssig. »Aber eigentlich sind sie ja an dir und Bill interessiert.«
    »Sie könnte sagen, die Pässe würden nicht hier im Büro aufbewahrt.«
    »Vielleicht wissen sie, daß das nicht stimmt – womöglich, daß Farah schon einmal Pässe bei ihnen vorgelegt hat.«
    »Sagen wir also, leitende Angestellte sind nicht verpflichtet, ihre Pässe im Büro zu hinterlegen.«
    »Das könnte klappen.«
    »Irgendeine überzeugende Geschichte, damit sie ihr glauben, daß sie einfach nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher