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Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers
Autoren: Ken Follett
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demoliert worden. Eines schrecklichen Nachmittags hatten Iraner imMinisterium für Gesundheit und Soziales – dem größten Kunden von EDS – gewütet, Fenster eingeschlagen und Schahbilder verbrannt. Die EDS-Manager verschanzten sich in einem Büroraum, bis der Mob wieder abzog.
    Wie düster die Lage wirklich war, kam jedoch am deutlichsten in der drastisch veränderten Haltung von Coburns Hauswirt zum Ausdruck.
    Coburn hatte, wie die meisten Amerikaner in Teheran, die Hälfte eines Zweifamilienhauses gemietet: Er wohnte mit Frau und Kindern im ersten Stock, der Hausbesitzer mit seiner Familie im Erdgeschoß. Als die Coburns im März dieses Jahres eingezogen waren, hatte sie der Vermieter sofort unter seine Fittiche genommen. Die beiden Familien kamen ausgezeichnet miteinander aus. Coburn und der Hausbesitzer diskutierten des öfteren über die Religion: Letzterer gab Coburn eine englische Übersetzung des Korans, und seine Tochter las ihm aus Coburns Bibel vor. Scott, Coburns siebenjähriger Sohn, spielte mit den Söhnen des Vermieters auf der Straße Fußball. An den Wochenenden unternahmen sie gemeinsame Ausflüge aufs Land. An einem Wochenende war den Coburns sogar die seltene Auszeichnung zuteil geworden, Gäste bei einer islamischen Hochzeit zu sein. Es war faszinierend gewesen. Männer und Frauen verbrachten den ganzen Tag getrennt voneinander. Coburn und Scott blieben bei den Männern, seine Frau Liz und ihre drei Töchter bei den Frauen. Coburn hatte die Braut überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.
    Im späten Sommer hatten sich die Verhältnisse fast unmerklich geändert. Die Wochenendausflüge hörten auf. Die Söhne des Vermieters durften nicht mehr mit Scott auf der Straße spielen. Schließlich brach jeglicher Kontakt zwischen den beiden Familien ab, selbst im Haus und dem dazugehörigen Hof, und den Kindern wurden schon Vorhaltungen gemacht, wenn sie sich nur mit einem der Coburns unterhielten.
    Es war keineswegs so, daß der Hauswirt plötzlich seinen Haß auf die Amerikaner entdeckt hätte. Eines Abends bewies er, daß ihm die Coburns nach wie vor am Herzen lagen. Auf der Straße hatte es eine Schießerei gegeben. Einer seiner Söhne war trotz Ausgangssperre noch unterwegs gewesen, und Soldaten hatten auf den Jungen geschossen, als er nach Hause rannte und über die Hofmauer kletterte. Coburn und Liz, die zu Tode erschrocken war, hatten den Vorfall von ihrem Balkon aus beobachtet. Der Hauswirt kam herauf, um ihnen zu erzählen, was passiert war, und um sie zu beruhigen. Aber er wußte nur zu gut, daß er sich um der Sicherheit seiner Familie willen nicht beim Umgang mit Amerikanern sehen lassen durfte: Ihm war klar, aus welcher Richtung der Wind wehte. Für Coburn war dies ein weiterer Hinweis darauf, daß die Zeichen auf Sturm standen.
    Zur Zeit gab es, wie Coburn aus der Gerüchteküche vernommen hatte, in den Moscheen und Basaren wildes Gerede über einen Heiligen Krieg gegen die Amerikaner, der zu Aschura beginnen sollte. Bis dahin waren es noch fünf Tage. Doch die Amerikaner in Teheran wirkten erstaunlich gelassen.
    Coburn erinnerte sich an die Einführung der Ausgangssperre: Sie hatte nicht einmal das monatliche EDS-Pokerspiel beeinträchtigt. Er und seine Mitspieler hatten einfach Frauen und Kinder mitgebracht, das Ganze in eine Pyjama-Party umfunktioniert, und alle waren bis zum Morgen geblieben. An das Knallen von Gewehrschüssen hatten sie sich gewöhnt. Die meisten heftigen Gefechte wurden zwar in der Altstadt im Süden, wo der Basar lag, und im Universitätsviertel ausgetragen, aber im Grunde waren überall immer wieder Schüsse zu hören. Schon bald nahmen sie die Knallerei seltsam gleichmütig hin. Sprach man gerade, so hielt man inne und wartete, bis die Salven verklungen waren – ebenso wie in den Staaten, wenn ein Flugzeug über einen hinwegdonnerte. Gerade so, alssei es undenkbar, daß sie zur Zielscheibe der Iraner werden könnten.
    Coburn war Schüssen gegenüber nicht abgestumpft. Zu oft in seinem Leben war schon auf ihn geschossen worden. In Vietnam hatte er sowohl Kampfhubschrauber zur Unterstützung von Bodenoperationen geflogen als auch zu Truppen- und Versorgungstransporten, bei denen er auf Schlachtfeldern landen und abheben mußte. Er hatte Menschen getötet, und er hatte Männer sterben sehen. Damals hatte die Armee pro 25 Stunden Kampfflugeinsatz eine Medaille verliehen – Coburn war mit insgesamt 39 Stück heimgekehrt. Außerdem hatte er einen Silbernen Stern
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