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Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Titel: Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]
Autoren: fhl Verlag Leipzig UG
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muss mir einfach reichen, Sarah. Und dir auch.«
    Er erhob sich und holte die Reiseführer und Karten von der Schreibplatte des Sekretärs, um sie auf den Küchentisch zu legen. »Ich werde sofort beginnen, das ganze Material auszuwerten, bis morgen kenne ich jedes Fischerdorf auf den Lofoten, jede Straße, jede Tankstelle, einfach alles.« Sarah schlug die Augen nieder, atmete keuchend, so, wie sie es sonst immer tat, wenn ein schlechter Traum sie quälte und sie sich herumwarf in ihrem Bett.
    »Es gibt viele Dörfer auf diesen Inseln«, erklärte er, »und eine lange Straße, die sie alle verbindet und von der kleinere Straßen abzweigen und zu den Küsten führen, am Nordmeer und am Vestfjorden. Aber wir haben die Zeit ihn aufzuspüren, und wir werden ihn finden! Ich denke, wir schaffen bequem zwei oder drei Dörfer an einem Tag, vielleicht auch mehr. Die Inseln sind durch lange Brücken verbunden, so kommen wir zügig voran. Und die Mitternachtssonne hält die Nächte in einem Dämmerlicht.«
    Ihre Finger irrten fahrig über die Tischplatte, als suchten sie einen Halt, aber sie berührten nur die benutzten Teller und Gläser, doch ihre Lippen bebten so stark, wie er es noch nie zuvor bei ihr wahrgenommen hatte.
    Warum sagt sie nichts, dachte er, warum schweigt sie, wenn es doch um den Mörder unserer einzigen Tochter geht, deren Fotos in allen Räumen dieser Wohnung hängen, auch hier, in der Küche! Aber ihre Schwermut lähmt sie, macht sie untauglich für das wirkliche Leben und schwach.
    »Sag doch etwas!«, drängte er ungeduldig und blickte sie zugleich auch fordernd an. Aber Sarah schwieg, presste nur ihre rechte Hand vor die Augen, so fest, dass die schmalen Knochen und Adern hervortraten, als wollten sie herausschnellen aus dem Handrücken.
    Minuten vergingen, die ihm endlos erschienen und quälend lang, doch wollte er sie jetzt nicht weiter bedrängen, wollte ihr Zeit geben, sich zu sammeln, um die neue Situation zu überdenken.
    Aber die Zeit, die er Sarah einräumen konnte, um alles abzuwägen, war gering, sehr gering, denn spätestens übermorgen müssten sie im Auto sitzen, auf dem Weg zur Fähre in Sassnitz, die sie nach Schweden bringen würde, nach Trelleborg.
    Dann endlich löste sie die Hand von ihren Augen, doch sie schaute ihn nicht an, schaute in eine Ferne, die er selbst nicht wahrnehmen konnte, nur Sarah allein. Dieser seltsame Blick aber war ihm schon vertraut, als Teil ihres gemeinsamen Lebens nach dem Tod ihrer Tochter.
    Und so saß er am Tisch, unruhig wartend, bis Sarah endlich sprechen würde. Was aber, überlegte er, tue ich, wenn Sarah »Nein« sagte? Doch sie sagte nicht »Nein«, sagte auch nicht »Ja«, stumm blickte sie weiter in diese Ferne, in die er ihr nicht folgen konnte und dann zu dem Foto ihrer Tochter auf einer Schaukel, ausgelassen, wild, mit wehendem Haar, kastanienbraun und lang.
    »So viele Jahre hinter Gittern können einen Menschen völlig verändern«, hörte er sie nun leise sagen, so, als ob sie zu sich selber redete. »Er ist vielleicht ein ganz anderer Mensch geworden und bereut die Tat nun aufrichtig, die er nicht mehr ungeschehen machen kann.«
    »Du würdest ihm verzeihen?«, fragte er fassungslos. »Du …«
    Noch immer wich sie seinem Blick aus, und ihre ineinander verkrampften Finger lösten sich nicht. Er aber kaute erst bedächtig, dann jedoch immer heftiger auf seiner Unterlippe, bis er Blut schmeckte, ohne den Schmerz zu spüren.
    »Nur im Jenseits endet die Rache«, brach es aus ihm heraus. »Erst dann und nicht eher!«
    »Du willst dein eigenes Trauma durch einen weiteren Mord lösen«, hörte er sie leise sagen, wobei sie ihn wieder ansah. »Sie haben den Täter therapiert, aber für uns, die Eltern des Opfers, interessieren sie sich wenig. Und das ist das wirklich Schreckliche.«
    Dann verharrten sie wieder schweigend, als säßen sich Fremde gegenüber.
    Endlich erhob er sich, schritt erregt in der Küche auf und ab, bis er vor Manus Foto innehielt, das neben der Küchenuhr hing.
    »Sieh sie dir an«, sprach er nun mit einer ihm selbst so fremden und heiser klingenden Stimme. »Mit seinen Fingern hat er diesen Engel überall berührt, vergewaltigt und dann erdrosselt. Und nun will er weiterleben, als wäre nichts geschehen. Er lebt und sie ist tot!«
    Höhnisch und voller Wut lachte er auf.
    »Und die Psychologen sagen, diese Taten gehörten nun mal auch zu unser aller Leben, sprechen von einer zweiten Chance für Mörder. Welche Chance aber
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