Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
Schmerzen und die beste Frau der Welt.«
    Mrs. Cundall lachte. »Schwätzer. Aber ich bin froh, daß wir nach Gilthorpe gekommen sind. Früher haben wir immer in den Dales Urlaub gemacht. Sind für unser Leben gern gewandert, und es war ein Segen, vom Rauch und den Schornsteinen wegzukommen. Von unserm alten Schlafzimmer konnte man nur Häuserwände sehen, aber hier hat Ron dieses große Fenster und kann meilenweit gucken.«
    »Ja, natürlich«, sagte ich, »dies ist ein schöner Ort.« Das Dorf thronte auf einem hohen Hügelkamm, und Rons Fenster überblickte die grünen Berge bis hinunter zum Fluß und wieder hinauf zum wilden Moor auf der anderen Seite. Dieser Anblick hatte mich auf meinen Runden schon so oft verzaubert, und die grasüberwucherten Pfade zwischen den luftigen Höhen schienen mich zu rufen. Ron Cundall würden sie vergeblich rufen.
    »Und Hermann anzuschaffen, war auch eine gute Idee«, sagte er. »Früher war ich ein bißchen einsam, wenn meine Frau nach Darrowby zum Einkaufen fuhr, aber seit der Kleine hier ist, ist das alles anders. Man ist nie allein, wenn man einen Hund hat.«
    Ich lächelte. »Wie recht Sie haben. Wie alt ist er eigentlich?«
    »Sechs«, antwortete Ron. »In den allerbesten Jahren, stimmt’s, Alter?« Er ließ den Arm neben das Bett sinken und zupfte zärtlich an den glatten Ohren.
    »Dies scheint sein Lieblingsplatz zu sein.«
    »Ja, ganz komisch, hier sitzt er immer. Meine Frau geht mit ihm Gassi und füttert ihn, aber mir ist er treu. Er hat dort drüben ein Körbchen, aber hier sitzt er. Ich brauch nur runterzulangen, und er ist da.«
    Dieses Phänomen hatte ich schon oft bei behinderten Menschen beobachten können: Die Tiere wichen nicht von ihrer Seite, als seien sie sich ihrer Rolle als Freund und Tröster bewußt.
    Ich trank mein Bier aus und stand auf. Ron sah zu mir auf. »Schätze, meins hält noch ‘ne Weile«, wobei er einen Blick auf sein halbvolles Glas warf. »Früher, da hab ich sechs Halbe verputzt so manchen Abend, wenn ich mit den Kumpels weg war. Aber wissen Sie was, diese eine Flasche genieß ich mindestens genauso. Komisch, wie so was kommt.«
    Seine Frau beugte sich über ihn und neckte ihn: »Ja ja, war höchste Zeit, daß du zur Besinnung kommst. Du bist jetzt geläutert, hm?«
    Sie lachten, als sei dies ein besonderer Scherz, den nur sie beide verstanden.
    »Vielen Dank für das Bier, Mrs. Cundall. Am Dienstag sehe ich nach Hermann.« Ich ging in Richtung Tür.
    Bevor ich verschwand, winkte ich dem Mann im Bett zu, und seine Frau legte die Hand auf meinen Arm. »Wir sind Ihnen sehr dankbar, daß Sie an einem Sonntagabend um diese Zeit noch rausgekommen sind, Mr. Herriot. Es war uns schrecklich peinlich, Sie anzurufen, aber wo es doch erst heute angefangen hat, daß dem Kleinen die Hinterbeine wegrutschten, verstehen Sie?«
    »Ah, natürlich, selbstverständlich, machen Sie sich mal darüber keine Gedanken. Es hat mir überhaupt nichts ausgemacht.«
    Und als ich durch die Dunkelheit fuhr, wußte ich, daß es mir tatsächlich nichts ausmachte – jetzt. Mein kleinlicher Ärger war schon binnen zwei Minuten nach meiner Ankunft bei den Cundalls verflogen, und nun empfand ich nur noch Demut. Wenn jener Mann für vieles dankbar war, wie stand es dann mit mir? Ich hatte alles. Ich wünschte bloß, ich könnte die böse Vorahnung vertreiben, die ich in bezug auf den Hund hegte. Die Symptome verkündeten Unheil – und doch wußte ich, daß ich ihn einfach wieder gesund machen mußte...
    Am Dienstag darauf schien sich kaum etwas verändert zu haben, und wenn überhaupt, dann zum Schlechteren.
    »Ich glaube, ich sollte ihn lieber zum Röntgen mit in die Praxis nehmen«, sagte ich zu Mrs. Cundall. »Die Behandlung scheint nicht anzuschlagen.«
    Im Auto rollte sich Hermann zufrieden auf dem Beifahrersitz zusammen.
    Ich brauchte kein Betäubungs- oder Beruhigungsmittel, als ich Hermann auf unser neues Röntgengerät legte. Seine Hinterläufe hielten von allein still. Viel zu still für meinen Geschmack.
    Ich war kein Röntgenspezialist, aber zumindest konnte ich eine Wirbelfraktur ausschließen. Doch mir war, als erkannte ich eine Verengung zwischen einigen Wirbeln, was meinen Verdacht auf Bandscheibenvorfall bestätigte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mit der Behandlung fortzufahren – und zu hoffen.
    Als sich die Woche ihrem Ende zuneigte, war die Hoffnung jedoch schal geworden. Zusätzlich zum Salicylat hatte ich altbewährte Präparate wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher