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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
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meinem ersten Besuch – acht Uhr abends –, und als Mrs. Cundall mich hereinbat, sprang der kleine Hund freudig an mir hoch, bevor er seinen Posten beim Bett wieder einnahm.
    »Na, das ist ja ein Anblick«, sagte ich. »Er galoppiert jetzt wie ein Rennpferd.«
    Ron ließ seine Hand nach unten gleiten und streichelte den glatten Kopf. »Ja, ist das nicht toll – Teufel noch mal, war das ‘ne schwere Zeit.«
    »Also, dann werde ich mal gehen.« Ich gab Hermann einen Abschiedsklaps. »Ich hab nur auf dem Weg vorbeigeschaut, um sicherzugehen, daß alles in Ordnung ist. Nun brauche ich nicht mehr zu kommen.«
    »Nein nein«, sagte Ron, »nicht weglaufen. Für ein Bier reicht Ihre Zeit noch.«
    Ich setzte mich ans Bett, und Mrs. Cundall gab uns unsere Gläser, bevor sie selbst einen Stuhl heranzog. Es war genau wie am ersten Abend. Ich schenkte mir mein Bier ein und sah die beiden an. Ihre Gesichter strahlten soviel Freundlichkeit aus, und ich wunderte mich ein bißchen, war doch meine Rolle bei Hermanns Rettung alles andere als heldenhaft gewesen.
    In ihren Augen mußten alle meine Bemühungen ungeschickt und nutzlos gewirkt haben, und sie waren doch bestimmt überzeugt, daß alles verloren gewesen wäre, hätte nicht Rons alter Kumpel aus dem Bergwerk eingegriffen und alles so mühelos gerichtet.
    Bestenfalls konnten sie mich für einen liebenswerten Stümper halten, und sämtliche Erklärungen und Rechtfertigungen der Welt hätten nichts daran geändert. Doch obwohl mein Selbstwertgefühl ein paar Kratzer abbekommen hatte, war es mir eigentlich egal. Ich war Zeuge eines glücklichen Ausgangs statt einer Tragödie, und das war wichtiger als peinliche Selbstrechtfertigungen. Ich nahm mir vor, bloß nichts zu sagen, was ihr Bild dieses Triumphes hätte zerstören können.
    Ich wollte gerade den ersten Schluck nehmen, als Mrs. Cundall verkündete: »Dies ist Ihr letzter Besuch, Mr. Herriot, und alles ist gut ausgegangen. Ich meine, wir sollten eine Art Trinkspruch ausbringen.«
    »Sie haben recht«, antwortete ich, »mal sehen... Ah ja, ich hab’s.« Ich erhob mein Glas. »Auf Bill Noakes.«

10 - Brandys Hang zu Mülltonnen
     
    IM HALBDUNKEL DES FLURS unserer Praxis glaubte ich, der Hund hätte seitlich am Kopf ein enormes Gewächs, aber dann sah ich, daß es nur eine Kondensmilchdose war, und war erleichtert.
    Nicht daß ein Hund mit einer seitlich aus der Schnauze sprießenden Milchdose ein üblicher Anblick war, aber ich wußte nun, daß ich es mit Brandy zu tun hatte.
    Ich stemmte ihn hoch und stellte ihn auf den Tisch. »Brandy, du warst wieder an der Mülltonne.«
    Der große goldgelbe Labrador sah mich reumütig an und versuchte alles, um mir übers Gesicht zu lecken. Es gelang ihm jedoch nicht, da seine Zunge in der Dose eingeklemmt war. Aber er machte es wett, indem er heftig mit dem Schwanz wedelte und mit dem Hinterteil wackelte.
    »O Mr. Herriot, es tut mir ja so leid, daß ich Sie wieder bemühen muß.« Mrs. Westby, seine attraktive junge Herrin, lächelte schuldbewußt. »Er ist einfach nicht von dieser Mülltonne abzubringen. Manchmal bekommen die Kinder und ich die Dosen selbst wieder aus der Schnauze raus, aber diese hier hat sich festgeklemmt. Und seine Zunge ist unter dem Deckel.«
    »Ja... ja...« Ich fuhr leicht mit dem Finger über den gezackten Rand des Metalls. »Ich sehe schon, es ist ein bißchen schwierig. Und wir wollen ihm ja nicht die Schnauze zerschneiden.«
    Während ich nach einer Pinzette griff, dachte ich an die vielen Male, bei denen ich Ähnliches für Brandy hatte tun müssen. Er war einer meiner Stammkunden, ein riesiges, tolpatschiges, etwas dümmliches Tier mit der geradezu wütenden Besessenheit, in Mülltonnen herumzustöbern.
    Er liebte es, Dosen herauszufischen und die leckeren Reste aus ihnen herauszuschlabbern. Und er betrieb die Schleckerei mit einer solchen Hingabe, daß er schließlich mit der Zunge in der Dose festsaß.
    Immer wieder war er von seiner Familie oder von mir befreit worden – von Fruchtsalatdosen oder aus Cornedbeefdosen, aus Dosen, in denen gebackene Bohnen oder Suppen gewesen waren. Es gab keine Sorte Dosen, die er nicht ausschleckte.
    Ich griff mit der Pinzette nach dem Dosendeckel und bog ihn langsam zurück, bis ich die Dose vorsichtig von der Zunge abziehen konnte.
    Einen Augenblick später schwappte diese Zunge über meine Backe – Brandys Art, mir seine Freude und seinen Dank kundzutun.
    »Hör auf, du alberner Hund!« sagte ich lachend und
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