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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
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obwohl er jedesmal zu seinem angestammten Platz an Herrchens Bett zurückkehrte und sich an Rons Hand schmiegte, konnte ich mich nicht länger der traurigen Überzeugung verschließen, daß eines Tages der Arm von der Decke hinuntergleiten und Hermann nicht finden würde.
    Bei einem meiner Besuch bemerkte ich, sobald ich das Haus betreten hatte, einen unangenehmen Geruch, der mir vage bekannt vorkam.
    Ich schnupperte, und die Cundalls sahen sich schuldbewußt an. Nach einer kurzen Stille sagte Ron: »Das ist eine Medizin, die ich Hermann gebe. Stinkt wie Teufel, soll aber gut sein für Hunde.«
    »Ach ja?«
    »Tja, also...« Seine Finger verknoteten sich ineinander. »Das war Bill Noakes, der mich drauf gebracht hat. ‘n alter Kumpel von mir – von damals, im Bergwerk –, und letztes Wochenende kam er mich besuchen. Er hat ein paar Whippets, der Bill. Weiß ‘ne Menge über Hunde und hat mir das Zeug für Hermann geschickt.«
    Mrs. Cundall ging zum Schrank und kam verlegen mit einer einfachen Flasche zurück. Ich entfernte den Korken, und sobald mir der gräßliche Gestank in die Nase stieg, kam auch die Erinnerung zurück. Asafoetida, ein üblicher Bestandteil der Quacksalberarzneien vor dem Krieg, zuweilen noch zu finden in der einen oder anderen Apotheke und den Medizinschränkchen jener Leute, die gern ihre Tiere selbst behandeln.
    Ich hatte dieses Zeug nie verschrieben, das angeblich gut war für Pferde mit Koliken und Hunde mit Verdauungsproblemen. Ich persönlich vermutete hinter der Popularität dieses Mittels eher die Annahme, daß etwas so ungeheuer Übelriechendes einfach magische Kräfte besitzen muß, war mir jedoch absolut sicher, daß es Hermann ganz bestimmt nicht helfen würde.
    Ich steckte den Korken wieder in die Flasche. »Dies geben Sie ihm also, hm?«
    Ron nickte. »Ja, dreimal täglich. Er reißt sich nicht drum, aber Bill Noakes schwört drauf. Hat schon ‘ne Menge Hunde damit geheilt, sagt er.« Die tief in die Höhlen gesunkenen Augen sahen mich flehentlich an.
    »Nun gut, Ron«, sagte ich, »fahren Sie fort damit. Hoffen wir, daß es hilft.«
    Ich wußte, daß die Asafoetida keinen Schaden anrichten konnte, und da meine Behandlung erfolglos geblieben war, sah ich mich nicht in der Lage, hochmütig zu urteilen. Doch mein Hauptanliegen war, diesen beiden sympathischen Menschen nicht den einzig noch verbliebenen Hoffnungsschimmer zu rauben.
    Mrs. Cundall lächelte, und Rons Gesichtszüge entspannten sich. »Fabelhaft, Mr. Herriot«, sagte er. »Wie bin ich froh, daß es Ihnen nichts ausmacht. Ich geb’s dem Kleinen selbst, da hab ich was zu tun.«
    Ungefähr eine Woche nach Beginn dieser neuen Behandlung schaute ich bei den Cundalls vorbei, als ich in Gilthorpe war.
    »Wie geht es Ihnen denn heute, Ron?« fragte ich.
    »Prächtig, Mr. Herriot, prächtig.« Das sagte er immer, doch heute lag in seinem Ausdruck eine ungewohnte Energie. Er langte nach unten und hob seinen Hund aufs Bett. »Hier!«
    Er zwickte die kleine Hinterpfote mit den Fingern, und da war ein schwaches, doch unverkennbares Zucken im Bein. Beinahe fiel ich vornüber, so eilig hatte ich es, das andere Bein zu testen. Mit demselben Ergebnis.
    »Mein Gott, Ron«, japste ich, »die Reflexe kehren zurück.«
    Er lachte mit seiner weichen heiseren Stimme. »Bill Noakes’ Zeug fängt an zu wirken, stimmt’s?«
    Für einen flüchtigen Moment wurde ich von Scham und verletztem Stolz gepackt, doch das gab sich ganz schnell wieder. »Ja, Ron«, antwortete ich, »es wirkt. Zweifellos.«
    Er starrte mich an. »Dann wird Hermann also wieder gesund?«
    »Nun, um das festzustellen, ist es noch zu früh, aber es sieht ganz danach aus.«
    Es dauerte noch ein paar Wochen, bis der kleine Dackel vollkommen genesen war, und natürlich war dies ein recht typischer Fall von Selbstheilung und nicht im geringsten auf die Asafoetida oder aber meine eigenen Bemühungen zurückzuführen.
    Noch heute, dreißig Jahre später, da ich diese beunruhigende Rückenkrankheit mit Steroiden behandle, frage ich mich, wie viele meiner kleinen Patienten auch ohne meine Hilfe gesund geworden wären. Wohl eine ganze Menge.
    Leider versagen wir zuweilen trotz moderner Medizin, und daher erfüllt mich jede erfolgreiche Behandlung mit tiefer Erleichterung.
    Doch nie war die Erleichterung größer als bei Hermanns Genesung, und ich kann mich noch lebhaft an meinen letzten Besuch in Cundalls Cottage in Gilthorpe erinnern. Es war zufällig die gleiche Zeit wie bei
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