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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
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hielt das hechelnde Gesicht von mir fern.
    »So, komm runter, Brandy!« Mrs. Westby zerrte ihn vom Tisch und redete in scharfem Ton auf ihn ein. »Du meinst, wenn du so ein Getue machst, ist alles wieder gut. Aber du bist wirklich eine Plage mit deinen Dummheiten, das muß jetzt aufhören!«
    Das Schelten hatte keine Wirkung, der Schwanz wedelte weiter, und ich sah, daß Mrs. Westby lächelte. Man mußte Brandy eben einfach gern haben, diesen großen, treuen und unendlich gutmütigen Hund.
    Ich hatte gesehen, wie die Kinder der Westbys – drei Mädchen und ein Junge, ihn an den Beinen herumschleppten, den Kopf nach unten, oder wie sie ihn in einen Kinderwagen legten, in Babykleidern! Die Kinder spielten alle möglichen Spiele mit ihm, und Brandy ertrug sie alle mit Gelassenheit. Manchmal glaubte ich sogar, sie gefielen ihm.
    Brandy hatte, außer seinem Hang zu Mülltonnen, noch andere Eigenarten.
    Als ich einmal bei den Westbys war, um ihre Katze zu behandeln, fiel mir auf, daß der Hund sich merkwürdig benahm. Mrs. Westby saß strickend in einem Sessel, während ihre älteste Tochter neben mir auf dem Kaminvorleger hockte und den Kopf der Katze hielt.
    Als ich meine Tasche nach dem Thermometer durchsuchte, sah ich plötzlich Brandy ins Zimmer schleichen. Er hatte einen listigen Ausdruck, wie er da über den Teppich trottete und sich dann brav, als könnte er kein Wässerchen trüben, zu seiner Herrin setzte. Nach wenigen Augenblicken fing er an, sein Hinterteil ganz langsam hochzuheben und an ihre Knie zu lehnen. Gedankenverloren nahm Mrs. Westby die Hand vom Strickzeug und schob ihn weg, aber er fing sofort wieder an. Es war eine außergewöhnliche Art der Bewegung, die Schenkel wippten in einem langsamen Rumbarhythmus, während er das Hinterteil Zentimeter um Zentimeter hob, und die ganze Zeit über machte er ein so unschuldiges Gesicht, als ob nichts wäre.
    Fasziniert unterbrach ich die Suche nach meinem Thermometer und beobachtete ihn. Mrs. Westby war ganz in ihre Strickerei vertieft und schien nicht zu bemerken, daß Brandys Hinterteil jetzt fest an ihren in blauen Jeans steckenden Knien ruhte. Der Hund legte eine Pause ein – die erste Phase war offenbar erfolgreich beendet. Dann begann er ebenso langsam seine Position zu festigen und schob sich mit Hilfe der Vorderbeine vorsichtig auf den Sessel hinauf, bis er zu einem bestimmten Zeitpunkt fast auf dem Kopf stand. Jetzt, einen Moment bevor er mit einem letzten Schub rückwärts auf ihrem Schoß gelandet wäre, blickte Mrs. Westby von ihrer Strickerei auf.
    »Also wirklich, Brandy, du bist zu albern!« Sie legte die Hand auf sein Hinterteil und schob ihn mitleidlos auf den Teppich hinunter, wo er liegen blieb und sie mit feuchten Augen ansah.
    »Was war denn das?« fragte ich.
    Mrs. Westby lachte. »Ach, das hat mit diesen alten blauen Jeans zu tun. Als Brandy als junger Welpe zu uns ins Haus kam, habe ich ihn stundenlang auf den Knien gehabt und gestreichelt. Ich trug damals meistens die Jeans. Seitdem versucht er immer, wenn er die Jeans sieht, auf meinen Schoß zu kommen, obwohl er inzwischen ein ausgewachsener Hund ist.«
    »Aber er springt nicht hoch.«
    »O nein«, sagte sie. »Das hat er versucht, und ich habe ihn dafür ausgeschimpft. Er weiß genau, daß ich keinen großen Labrador auf dem Schoß haben kann.«
    »Also versucht er es jetzt mit der heimlichen Annäherung...?«
    Sie kicherte. »Ja, so kann man es nennen. Wenn ich stricke oder lese, schafft er es manchmal fast, und wenn er vorher im Dreck gespielt hat, macht er mich dabei so schmutzig, daß ich fürchterlich mit ihm schimpfe.«
    Ein Patient wie Brandy brachte Farbe in meinen Alltag. Wenn ich mit meinem eigenen Hund spazierenging, sah ich ihn oft am Ufer des Flusses spielen. An heißen Tagen waren immer viele Hunde im Wasser, sei es um Stöckchen zu jagen oder um sich ein bißchen abzukühlen.
    Aber während alle Hunde verhältnismäßig ruhig ins Wasser gingen und gelassen davonschwammen, war Brandys Verhalten einzigartig.
    Ich beobachtete, wie er ans Flußufer rannte, und ich erwartete, daß er einen Augenblick stehenblieb, ehe er ins Wasser ging. Statt dessen katapultierte er sich vom Boden hoch, spreizte die Beine, schwebte einen Augenblick in der Luft wie ein fliegender Fuchs und stürzte dann in einer aufspritzenden Fontäne in die Fluten. Welch ein glücklicher Sonderling, dachte ich.
    Am nächsten Tag, auch wieder am Fluß, wurde ich Zeuge von etwas noch Außergewöhnlicherem.
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