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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen
Autoren: James Herriot
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anvertraut.«
    »So?«
    »Ja, Hodgkin habe sich bitterlich darüber beklagt, daß er sich nun viel öfter bücken müsse, um die Ringe aufzuheben, und dabei habe auch er Arthritis. Es hätte mir ja nichts ausgemacht«, inzwischen flüsterte sie, »aber Tricki war erschüttert: Hodgkin soll mehrmals geflucht haben!«
    »O je, ja, das ist natürlich schwerwiegend...« »Was für eine peinliche Angelegenheit für Tricki! Wie soll ich Ihrer Meinung nach darauf reagieren?«
    Ich nickte ernst, und nach einigem Nachsinnen kam ich zu folgendem Schluß: »Ich hielte es für das beste, Mrs. Pumphrey, wenn die Ringewerferei seltener und kürzer ausfiele als bisher. Immerhin sind Tricki und Hodgkin beide nicht mehr die Jüngsten.«
    Sie sah mich einen Augenblick lang an, dann strahlte sie. »Ach, ich danke Ihnen, Mr. Herriot, Sie haben sicher recht, wie immer. Ich werde Ihren Rat beherzigen.«
    Als ich aus der Ausfahrt herausfuhr, blickte ich mich noch einmal um. Mrs. Pumphrey und Ruth standen lächelnd und winkend in der Haustür. Tricki hatte seinen Platz auf dem Fenstersims wieder eingenommen und lachte sich schlapp, während er sich gleichzeitig bellend verabschiedete und die Vorhänge mit seinem wedelnden Schwanz hin und her schwenkte. Eine wohlige Wärme in meinem Magen erinnerte noch an Sherry und schmackhafte Plätzchen.
    Dies war nicht das erste Mal, daß ich der Vorsehung für die unendliche Vielfalt des Veterinärdaseins dankte.

9 - Hermanns Happy-End
     
    »HAT EIN TIERARZT DENN niemals Feierabend?« fragte ich mich verzweifelt, als ich in meinem Wagen die Straße nach Gilthorpe entlangeilte. Es war Sonntag, acht Uhr abends, und ich war zu dem zehn Meilen entfernt gelegenen Dorf unterwegs, um einen Hund zu untersuchen. Laut Helen, die den Anruf entgegengenommen hatte, war dieser Hund bereits seit einer Woche krank.
    Nach einem langen, anstrengenden Tag hatte ich mich auf einen ruhigen Abend gefreut. Statt dessen war ich schon wieder in der Tretmühle und starrte durch die Windschutzscheibe dieselben Straßen, dieselben Mäuerchen an, die ich tagein, tagaus zu sehen bekam. Als ich aus Darrowby herausfuhr, war das Städtchen in der Abenddämmerung wie leergefegt, und die Häuser strahlten jene behagliche Ruhe aus, die das Idyll von Sessel, Pfeife und Kamin heraufbeschwor, und als mir nun von den Farmen her die Lichter der Fells zuzwinkerten, sah ich im Geiste die Viehzüchter zufrieden mit hochgelegten Beinen vor sich hindösen.
     Mir war auf der dämmrigen Straße kein einziges Auto begegnet. Keine Menschenseele war unterwegs – außer Herriot.
    Bis ich bei einer Reihe von Cottages am äußersten Ende von Gilthorpe ankam, badete ich regelrecht im Selbstmitleid. Mrs. Cundall, Chestnut Road 4 hatte Helen auf einen Zettel geschrieben.
    Als ich das Tor öffnete und das winzige Gärtchen durchschritt, hatte ich allerlei halbgare Sätze im Kopf, die ich gern losgeworden wäre.
    Ich praktizierte nun schon seit einigen Jahren, und meine Erfahrung hatte mich gelehrt, daß es vollkommen sinnlos war, Menschen, die mich zu unmöglichen Zeiten zu sich riefen, mit Vorwürfen zu überschütten. Ich wußte nur zu genau, daß ich damit nicht zu ihnen durchdrang und daß sie es beim nächsten Mal wieder tun würden, und doch mußte ich meinem Unmut ein wenig Luft machen, um meiner selbst willen.
    Ich wollte ja nicht ausfallend werden, sondern lediglich meinen Standpunkt deutlich machen: daß auch Tierärzte gern am Sonntagabend mal die Füße hochlegten; daß es für uns eine Selbstverständlichkeit sei, zu Notfällen auszurücken, jedoch nicht einsichtig, Tiere behandeln zu müssen, die bereits seit einer Woche krank waren.
    Ich hatte meine Rede einigermaßen parat, als eine kleine Frau mittleren Alters die Tür öffnete.
    »Guten Abend, Mrs. Cundall«, sagte ich ein wenig verkniffen.
    »Oh, Mr. Herriot.« Sie lächelte scheu. »Wir kennen uns noch nicht, aber ich hab Sie schon oft an Markttagen in Darrowby gesehen. Kommen Sie rein.«
    Als ich in das kleine, schwach beleuchtete Wohnzimmer trat, fiel mein Blick als erstes auf das abgenutzte Mobiliar und einige Bilder in vergoldeten Rahmen, bevor ich bemerkte, daß das hintere Ende des Raumes durch einen Vorhang abgetrennt war.
    Mrs. Cundall zog den Vorhang beiseite. In einem schmalen Bett lag ein Mann, eine klapperdürre Gestalt, deren Augen aus zwei Höhlen in einem gelblichen Gesicht zu mir aufsahen.
    »Dies ist mein Mann Ron«, sagte sie aufgeräumt, und der Mann lächelte und
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