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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick
Autoren: D Wallace
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umzugehen, sogar sein Äußeres. Als Dev vierzehn war, starb sein Großvater, und das nahm einen gewaltigen Einfluss auf sein Leben. Nicht weil es ihn emotional traumatisiert hätte, was natürlich der Fall war, sondern weil Devs Vater es nicht gern sieht, wenn Geld verschwendet wird. Und im Jahr zuvor hatte Dev zum ersten Mal gemerkt, dass er anders als die anderen Kinder war. Es ging nur um Kleinigkeiten – dass er ein Schild nicht lesen konnte, dass er die Uhr nicht erkennen konnte, dass er beharrlich und mit großer Geste aus dem Bett fiel. Er war kurzsichtig.
    Sein Vater ist Geschäftsmann. Sein Vater dachte: Warum für ein Gestell bezahlen, wenn doch schon eins zur Verfügung stand und kostenlos zu haben war?
    Und so bekam Dev die Brille seines Großvaters. Seines Großvaters . Genau drei Tage nach der Beerdigung. Mit neuen Gläsern natürlich, wenn auch vom Kumpel seines Vaters an der Whitechapel Road und aus billigem, empfindlichem Plastik. In den folgenden vier Jahren machten sich alle über Dev lustig, weil er das Gesicht eines kleinen Jungen und die Brille eines alten Mannes hatte, wie ein Steppke, der die Sonnenbrille seiner Mutter trägt. Um dem entgegenzusteuern, versuchte er, sich ein Oberlippenbärtchen wachsen zu lassen, aber damit sah er nur aus wie ein Miniaturdiktator.
    Und er hatte sich nie eine neue gekauft. Warum sollte er auch? Er hatte seinen Look gefunden. Und dieser diente ihm zum Vorteil. An der Uni – zumindest anfangs – hielt man ihn für schräg, diese dicke, schwarze Brille an dem merkwürdigen Neuen, aber im ersten Jahr war sie seine Schmusedecke, im zweiten eine exzentrische Schrulle und im dritten Jahr – wie er hoffte – ein Weibermagnet.
    (War sie nicht.)
    Später, wenn man sie zusammen mit den Haaren sah, die er sich nicht schneiden ließ, und den T-Shirts, die er entweder umsonst bekam oder für ein Pfund und einen Penny bei eBay ersteigerte, stand diese Brille für Selbstvertrauen. Diese Brille stand für …
    Na ja, sie stand für »Dev«.
    Ausländische Mädchen, die ihn nicht verstanden, aber seine grellen Jacken mochten, fanden, dass er cool aussah.
    »Na komm!«, sagte er, als wir endlich drinnen waren, und er schlug mit der Hand auf das Treppengeländer, als wir nach oben stolperten. »Ich weiß, was dich besser draufbringt …«
    In der Wohnung warf Dev seinen Kebab auf den Tisch und ging in die Küche, wo er die Schränke durchwühlte und lautstark Sachen hin und her schob.
    Ich schlenderte in mein Zimmer, nahm mein Notebook und machte ein entschlossenes Gesicht.
    Vielleicht sollte ich es wirklich tun, dachte ich. Sie einfach löschen. Hinter mir lassen. Alles vergessen. Erwachsen werden. Es wäre einfach. Und dann könnte ich meinen Computer endlich wieder ohne diesen dumpfen Schmerz anstellen. Ohne diese Ahnung, dass ich etwas Schlimmes sehen würde. Ich könnte mein Leben weiterleben.
    Als ich mich gerade ins Internet einwählte, hörte ich Dev »Aha!« rufen.
    »Hab’s gefunden, Jase! Hübsches Fläschchen Jezynowka! Brombeerschnaps! Was hältst du davon, wenn wir das N 64 anschließen, Jezynowka trinken und bis zum Morgengrauen GoldenEye spielen?«
    Aber ich hörte gar nicht zu. Nicht wirklich. Ich kann nur vermuten, was er sagte. Im Grunde hätte er auch Vasen umkippen und rassistische Lieder komponieren können, denn ich war gebannt und schockiert und weiß Gott was noch alles von dem, was ich auf dem Bildschirm sah.
    Diesmal nur ein Wort.
    Ein Wort, das mir ins Gesicht schlug und meine Hoffnung zerstampfte und meine Familie verspottete.
    »Jase?«, sagte Dev und stand plötzlich in meiner Tür. »Willst du James Bond oder Natalia sein?«
    Doch ich reagierte nicht.
    Tränen brannten in meinen Augen, ich spürte jedes Haar an meinem Körper, und ich sah nur die Worte »Sarah Bennett ist …«, und dann dieser Killer, dieses vernichtende, absolute Arschloch von einem Wort.

zwei
    Oder: › › Some things are better left unsaid ‹ ‹
    Verlobt.
    Das war das Wort, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Verlobt.
    Sarah war verlobt mit Gary. Gary war verlobt mit Sarah. Sarah und Gary waren verlobt miteinander .
    Danach blieb ich nicht bis zum Morgengrauen wach und spielte GoldenEye mit Dev. Ich saß nur da, benebelt vom Schock und Jezynowka, in einem kalten Zimmer, das nach Brombeeren stank, und klickte auf Erneuern und Erneuern und Erneuern, während die Glückwünsche nach und nach eintrudelten.
    »Hurra!«, schrieb Steve, was typisch Steve ist, und Jess
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