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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick
Autoren: D Wallace
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sogar. Wie wäre es, wenn du mir jetzt endlich erzählst, dass du verlobt bist, damit ich überrascht und erwachsen tun kann?
    »Nur … Ich hatte nur ein paar Drinks mit Dev und …«
    »Wieso bist du so ein Arschloch, Jase?«
    Ich runzelte die Stirn. Das stand so nicht im Drehbuch.
    Eine Sekunde verging.
    »Ich bin … Was meinst du?«
    »Du könntest dich ruhig für mich freuen, Jason. Du hast kein Recht, mir Vorwürfe zu machen. Wir haben beide unsere Entscheidungen getroffen, und …«
    Nicht das jetzt. Nicht dieses Gespräch schon wieder.
    »Freuen worüber?«, fragte ich unschuldig.
    »Das weißt du genau.«
    Woher wusste sie, dass ich es wusste?
    »Sarah …«
    »Ich bin verlobt, Jason. Bist du jetzt zufrieden, nachdem ich es dir persönlich gesagt habe?«
    »Ich … also, das ist ja eine tolle Neuigkeit!«, sagte ich. »Schön für dich.«
    »Das klang gestern Abend aber noch ganz anders.«
    Ich blinzelte ein paarmal. Hatte ich sie angerufen? Hatte sie mich angerufen? Ich sah zum Tisch in der Ecke hinüber. Brombeerlikör war an einem Bein hinuntergelaufen und dort, gleich daneben, der Überbringer: mein Notebook, mein Verräter, lief noch, präsentierte nach wie vor ein grelles, farbenfrohes Foto einer überglücklichen Sarah.
    »Gestern Abend«, sagte sie, »hieltst du es für eine falsche Entscheidung.«
    »Nein, ich würde doch nie …«
    »Du hast gesagt, es sei eine falsche Entscheidung, und alle meine Freunde seien falsche Freunde, weil sie mich nicht daran hindern, den größten Fehler zu begehen, den eine Frau je begangen hat, indem sie alle Chancen, wieder mit dir zusammenzukommen, für ein Leben voller Pizza Margherita und dummer Tage verspielt.«
    »Dummer Tage?«
    »Gary ist außer sich. Er ist sehr sensibel. Er fühlt sich von dir erniedrigt. Du hast gesagt, er sei die Margherita unter den Männern. Du wärst wie eine Supreme Deluxe und er wie eine Margherita.«
    »Wahrscheinlich habe ich damit gemeint, er ist beliebt, und ich bin nicht jedermanns Geschmack, besonders wenn man gesundheitsbewusst lebt und …«
    »Das war nicht das, was du gemeint hast, oder?«
    Irgendetwas verbarg sich hinter ihrer Frostigkeit. Empörung? Nein. Es war Resignation. Es war, als wollte sie einfach nichts mehr davon wissen.
    »Werd endlich erwachsen, Jason«, sagte sie. »Such dir eine andere. Irgendeine. Zieh aus dieser stinkenden Wohnung aus – nebenan ist ein Bordell, verdammt – und nimm dein Leben in die Hand.«
    »Das ist kein …«
    »Und ruf mich nie wieder an.«
    Klick.
    Einen Moment lang lauschte ich der Stille, dann setzte ich mich auf.
    »Das ist kein Bordell«, sagte ich.
    In meinem Kopf hämmerte es, und ich suchte die abgehenden Anrufe in meinem Handy. Ich hatte nicht telefoniert. Ich hatte sie gar nicht angerufen. Ich wusste es!
    Hey, vielleicht war sie ja verrückt geworden. Vielleicht hatte Gary sie in den Wahnsinn getrieben. Wäre doch genial, wenn Gary sie in den Wahnsinn getrieben hätte. Wer hätte dann recht, hm? Ich oder ihre tollen Freunde, die so gedankenlos herumtönten, wie glücklich sie für die beiden seien, was für ein toller Hecht Gary doch sei, wie großartig die beiden zueinanderpassten, wie geschaffen füreinander, wie zwei …
    Ich stutzte.
    Ein Hauch einer Ahnung eines Schimmers einer Erinnerung.
    Nein.
    Bitte nicht.
    Ich stieg aus dem Bett und taumelte zum Notebook. Da sah ich es schon.
    Uupsi.
    »Uupsi scheint es mir nicht ganz zu treffen«, sagte Dev weise.
    Er trug sein Earthworm-Jim -T-Shirt und machte sich im Café unten an der Straße über sein englisches Frühstück und eine fremdländische Cola her.
    Er hatte recht. Ich dachte darüber nach, was ich getan hatte.
    Alles in allem hatte ich etwa vierzehn Verlobungsfotos spontan und eingehend kommentiert, in meinem betrunkenen Zustand vermutlich mit Oscar Wilde’scher Grandezza und Stephen Fry’schem Witz. Im kalten Licht des neuen Morgens wurde mir nun bewusst, dass ich eher wie ein Penner klang, der beim Inder an die Scheibe klopfte.
    »Ach, na ja«, sagte Dev. »Wie viele Leute können es schon gelesen haben? Mal ehrlich?«
    »Alle. Alle, die sich ihre Fotos angesehen haben. Ihre Freunde, meine Freunde, unsere Freunde.«
    Dev nickte versonnen und zuckte mit den Schultern.
    »Ihre Familie. Ihre zahllosen Kollegen.«
    Inzwischen sah er schon etwas besorgter aus.
    »Garys Freunde. Garys Familie. Garys zahllose Kollegen.«
    »Stimmt …«
    »Entfernte Verwandte. Leute, denen sie seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr
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