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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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„was wir heute ablaufen, haben wir morgen auf dem
langen Weg nach Roncesvalles schon hinter uns.“
    Dieses
Argument ist ermutigend und so bleibt uns auch ein Blick für die grüne, immer
einsamer werdende Bergwelt, in die wir hinaufsteigen. Gegen Abend, die Sonne
hat jetzt ihre größte Kraft verloren, überlegen wir, wo wir unser Nachtlager
aufschlagen könnten. Rechts und links von unserem Weg, wir haben das letzte
Bauernhaus schon lange hinter uns gelassen, wächst nur noch dichtes Farnkraut.
Aber dann führt plötzlich ein schmaler, mit hohem Gras fast zugewachsener Weg
links in den Hang hinein und da stehen nach etwa hundert Metern auch einige
mehr in die Breite denn in die Höhe gewachsene Buchen. Sobald wir uns dies aus
der Nähe ansehen, wird uns schnell klar, dass wir hier einen besonders schönen
Platz für die bevorstehende Nacht gefunden haben. Wir werfen mit Erleichterung
die elenden Rucksäcke ab, breiten unsere Iso-Matten und Schlafsäcke aus und
hängen unsere nassgeschwitzten Hemden an einen tiefhängenden Zweig unserer
Buche.

    Gras und Erde
sind noch von der Sonne durchwärmt. Das Zikadenkonzert unterstreicht die Stille
hier oben in den Bergen. Nur ein Fink empfindet uns als Eindringlinge und
schimpft in der Buche über uns. Wir machen es uns gemütlich mit unserem
Weißbrot, unserer Salami und den Paprikaschoten und natürlich den Zwiebeln, die
sind ja nach Auffassung meines Gefährten ganz besonders wichtig, will man
vermeiden, mit dem Rucksack auf dem Rücken im Galopp über den Camino sausen zu
müssen, um noch rechtzeitig den nächsten Busch zu erreichen. Und in der Meseta
soll es nicht einmal Büsche geben.
    Da fällt uns
plötzlich ein, dass wir auch Rotwein haben. Jetzt wird es natürlich noch
gemütlicher. Immer noch erhitzt und auch noch durstig, steigt uns der Wein
schnell in den Kopf.
    Was die zu
Hause jetzt wohl machen? Und schau’ mal, die schöne Aussicht, die wir von hier
haben. Wo der Dicke vom Pilgerbrunnen jetzt wohl steckt? So ein Bauch, wie der
hat, das ist doch wie ein zweiter, schwerer Rucksack.
    Sobald es
anfängt zu dämmern, kriechen wir in unsere Schlafsäcke. Es ist immer noch sehr
warm. Kein Lüftchen weht, reglos steht die Buche über uns, der Buchfink hat
sich beruhigt, das Sirren der Zikaden wird scheinbar lauter. Ganz weit unten im
Tal hört man einen Hund bellen.
    Dann verlieren
die grünen Blätter der Buche über mir allmählich ihre Farbe und ich sehe nur
noch ihre schwarzen Konturen wie einen Scherenschnitt vor dem dunkelblauen
Abendhimmel. Ich bin glücklich und schlafe ein.
    Als ich das
erste Mal wieder wach werde, bemerke ich, dass es mittlerweile stockdunkle
Nacht geworden ist. Ich bin zu träge, um auf meine Uhr zu schauen. Sicherlich
haben wir noch einige Stunden bis zum Morgen. Wie schön. Aber was ist das für
ein komisches Geräusch ein bisschen weiter hinten an unserem Weg? Ich merke,
dass auch mein Gefährte wach ist.
    „Hörst du
das Gegrunze? Was ist das denn?“ fragt er mich.
    „Ja“
flüstere ich, „ich hör’ das auch. Hier oben kann es doch keine Schweine geben.“
    Also, so
schießt es mir durch den noch von Wein und Schlaf benommenen Kopf, kann es nur
ein Bär sein; die soll es ja noch in den Pyrenäen geben. Ein Bär also! Zu
dieser Nachtzeit sicher nicht auf Honig-, sondern auf Pilgersuche.
    So entstand
sie also, die Szene, die mein Gefährte am letzten Dorffest zu Hause — wir
hatten schon etwas Bier getrunken — allen an unserem Tisch Sitzenden so echt
vorspielte, dass man sie für durchaus realistisch halten konnte, nämlich wie
der Bär hochaufgerichtet und schnaubend auf ihn zukommt, er aber, in
Fechterpose dunkle Laute ausstoßend, mit seinem Messer auf ihn einsticht.
    Jetzt
allerdings, in der Stunde höchster Gefahr, einigen wir uns erst einmal darauf,
dass es sich um Igel handeln muss, die da so merkwürdige Geräusche machen. Aber
nach einiger Zeit meint mein Kampfgefährte, dass dies doch nicht zutreffen
dürfte. Und die Geräusche — sie kommen immer näher, wenngleich — gottlob — nur
sehr langsam. Vielleicht — so hoffe ich — mag der Bär ja vor uns noch einen
anderen Pilger finden, der da zufällig herumliegt. Im übrigen soll er, mein
Kampfgefährte, nur ruhig aufstehen mit seinem Messer, er hat das doch alles
eingeübt. Außerdem liegt er näher bei den Geräuschen. Da würde der Bär sicher
erst ihn anfallen und nur, wenn er dann immer noch Appetit hätte, käme ich an
die Reihe.
    Die
näherkommenden
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