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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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angefahren, der erste, den wir an diesem
Tag sehen. Er hält an, als er uns erreicht hat, und ein Mann, begleitet von
drei Frauen, winkt uns zu. „Ja, wir wollen nach Santiago", beantworten wir
die Frage des freundlichen Franzosen, und schon haben wir ein lebhaftes
Gespräch mit den Vieren. Er war auch, vor ein paar Jahren, nach Santiago
gepilgert und verspricht uns ein einmaliges und unvergessliches Erlebnis.
    Und dann fragt er: „Wollt ihr Wasser haben? Ich habe immer Wasser
dabei, wenn ich hier herauffahre, weil ich damals hier oben auch so furchtbar
Durst hatte. Ich bin öfters hier, wir wohnen in der Nähe." Wir wären ihm
fast um den Hals gefallen. Und lachen mussten wir auch über diese Fügung. Nur
wenige Minuten später wären wir auf dem von hier nach rechts führenden Pfad
schon weg gewesen und hätten mit unserem Durst noch einige Stunden bis zum
Kloster Roncesvalles durchhalten müssen. So aber holt unser neuer Freund doch
tatsächlich einen Kanister mit frischem Wasser aus dem Kofferraum seines
Fahrzeugs. Wir trinken, füllen unsere Flaschen auf und bedanken uns sehr
herzlich - und natürlich müssen sich alle für ein Gruppenfoto aufstellen.
    Schön ist er, dieser jetzt folgende Grasweg zwischen einem kahlen
Berg links und einem kleinwüchsigen Buchenwald, der rechts von uns in den
Abgrund hinunterstürzt. Dort setzen wir uns ins hohe Gras und machen ausgiebig
Brotzeit in der Gesellschaft von Käfern, Ameisen, Zikaden, Grashüpfern und
Schmetterlingen.
    Aber wir müssen bald weiter, Pilger müssen immer weiter.
    Es geht nochmals bergauf durch eine karge, herbe Bergwelt. Unser
Blick reicht jetzt schon weit hinein nach Navarra. Aber bald sind wir dann
wirklich oben. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, nach Roncesvalles zu
wandern. Wir wählen einen schmalen Pfad, der steil nach unten führt, meist
zwischen den hohen Stämmen schöner Buchenwälder hindurch. Ein letztes Mal
tauchen wir in eine Wolke ein, durchlaufen ihr Schattenreich und sehen kurze
Zeit später die Schieferdächer des Augustinerklosters Roncesvalles vor uns aus
den Bäumen schauen.
     
     

Im Kloster von Roncesvalles
     
    Roncesvalles ist nicht irgendein Ort oder irgendein Kloster. Es
steht etwas unterhalb des Ibañeta-Passes, wo christliche Waskonen, also Basken,
die militärische Nachhut Karls des Großen am 15. August 778 in einen Hinterhalt
gelockt und vernichtet haben. Karl der Große selbst, damals von einem Feldzug gegen
die Mauren ziemlich unverrichteter Dinge heimgekehrt, war da allerdings mit der
Hauptmacht seines Heeres schon weitergezogen und konnte nicht mehr eingreifen.
Der Anführer dieser unglücklichen Nachhut aber war Hruodlandus — oder Roland
der Markgraf der Bretagne, von dem manche sogar annehmen, dass er Karls
unehelicher Sohn war, gezeugt mit der eigenen Schwester Gisela, die für diese
Sünde als Nonne im Kloster Chelles ein Leben lang büßen musste.

    Stoff
jedenfalls genug auch für Legenden, und so entstand denn aus dieser militärisch
eher vernachlässigbaren Niederlage ein Heldenepos, das „Rolandslied“. Hier aber
sind es dann fälschlicherweise die Muslime, die diesen hinterhältigen Überfall
verüben. Und da ist Ganelon der Verräter, der später in Aachen von vier Pferden
in Stücke gerissen wird, da ist das berühmte Schwert „Durendal“, mit dem Roland
viele Feinde niedermäht, und da ist auch Rolands Horn „Olifant“, mit dem er
Karl den Großen verzweifelt herbeizurufen versucht. Der aber kommt zu spät, er
kann die gefallenen Recken nur noch in einem gemeinsamen Grab beerdigen,
nämlich auf dem Gelände des heutigen Klosters Roncesvalles.
    Das alles
geht mir durch den Kopf, während wir auf die Pilgerherberge dieses Klosters
zulaufen. Dort aber stehen wir vor verschlossenen Toren. Die Herberge macht
erst um 16 Uhr auf, noch fast zwei Stunden Zeit, sich das Kloster, insbesondere
sein Museum, anzusehen und auch einen Kaffee zu trinken.

    Wir kommen
gegen 16 Uhr zur Herbergspforte zurück. Eine Reihe von Pilgern sitzt schon
davor und wartet darauf, dass die Herberge geöffnet wird. Dass man hier etwas
warten muss, ist eigentlich ganz gut. Auf diese Weise lernt man sich schon mal
ein wenig kennen. Es gibt keine
Ungeduld, keinen Missmut, kein Drängeln, keine Nervosität. Tröpfchenweise
kommen weitere Pilger dazu, werfen mit einem eher amüsierten Stöhnen ihre
Rucksäcke ab, lehnen ihre Pilgerstöcke an die historische Hauswand und setzen
sich irgendwo auf die Erde. Manche ziehen ihre
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