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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Geräusche lassen meinen Weggefährten doch nicht länger ruhen.
Leise schlüpft er aus seinem Schlafsack und pirscht, als Jagdwaffe führt er
seinen Pilgerstock mit sich, in die Nacht hinaus und auf den Bären zu.
    Da wird nach
einigen bangen Augenblicken die nächtliche Ruhe in unserer einsamen und stillen
Bergwelt plötzlich durch gellendes Gelächter gestört.
    „Was ist
los? Was ist los?“ rufe ich in die Nacht hinein.
    „Schafe sind
das, Schafe sind das! Da schau’ her. So was.“
    Ja, das
waren Schafe ohne Hirten, die friedlich Gras rupfend langsam und ahnungslos auf
unser Nachtlager zukamen.

Begegnungen in den Bergen
     
    Im ersten
Morgenlicht stehen wir auf, frühstücken, packen unsere Rucksäcke und sind
zurück auf dem „Camino“. Es geht jetzt stetig, aber nicht mehr so steil wie
gestern nach oben, und die Hitze ist erträglich. Gelegentlich laufen wir durch
ein Wolkenfeld, das uns dann in eine geisterhafte Atmosphäre einhüllt, in der
die Stille fast greifbar wird und die unbewaldeten Wiesenberge nur noch
schemenhaft zu erkennen sind. Von irgendwo her hallen die abgehackten,
klagenden Stimmen der Dohlen, die den Eindruck der Einsamkeit noch verstärken.
Dann ist plötzlich wieder die Sonne da, und unser Alleinsein hier oben hat
sofort wieder ein freundlicheres, ein wärmeres Gesicht. In dieser unberührten
Landschaft fühlt man sich dem Himmel ganz nahe, ja man glaubt, auf einer Bühne
direkt in ihn hineinzulaufen. Gab es unten auf den ersten Bergwiesen noch Kühe,
so waren es weiter oben Pferde, eine kräftige Rasse, meistens Stuten mit je
einem Jungtier. Aber auch die Pferde weiden jetzt schon weit unterhalb unseres
Weges, sind den Schafen gewichen. Auf einem Felsvorsprung links vor uns sieht
man Geier sitzen, reglos und geduldig darauf wartend, dass einmal ein Schaf
verendet. Tatsächlich liegt etwas später am Wegesrand ein halb abgefressener
Schafskadaver. Die Geier hatten uns wohl schon lange vorher bemerkt und waren
weggeflogen.

    Und dann,
man glaubt jetzt endlich „oben“ zu sein, weil man schon weit nach Navarra
hineinschauen kann, steht „sie“ plötzlich da, die „Estatua de la Virgen“, die
Statue der Jungfrau Maria. In der Einsamkeit der Berge, von der Sonne
angestrahlt, von den Stürmen umtost, von den Wolken verhüllt und das alles
manchmal an einem einzigen Tag, vielleicht sogar innerhalb nur einer Stunde.
Aber sie hat ja immer die Pilger,
die hier vorbeikommen, und auch wir stehen still vor ihr. Wir müssen weiter und
wir sind auch noch nicht „oben“, wie wir gleich feststellen müssen. Aber wir
kommen gut voran, haben keine Schmerzen. Dann fällt mir plötzlich etwas auf.
    „Mensch, wo
ist denn dein Pilgerstock?“
    „Ach Gott —
der liegt bei der Madonna.“
    „Ja dann
hol’ ihn dir doch, ich warte so lange hier.“
    „Nein, den
hol’ ich nicht. Ich brauch’ ihn gar nicht. Er hat mich mehr gestört. Es langt,
wenn wir einen für die Hunde haben. Den kannst du ja tragen“, entgegnet mein
Cousin, ganz so, als wäre er tatsächlich nur für die Bären zuständig.
    „Aber die
Madonna kann mit deinem Stock auch nichts anfangen, sie muss ja auf ihrem
Podest bleiben und kann nicht mit einem Stock herumlaufen.“
    „Das weißt du
nicht, was die alles kann, vor allem nachts. Von solchen heiligen Dingen
verstehst du gar nichts, du alter Heide.“
    „Mensch
schau’ mal, wer kommt denn da hinten. Das sind doch zwei Pilger.“
    „Tatsächlich!
Und was die für ein Tempo draufhaben.“
    Schon bald haben
sie uns eingeholt, zwei jüngere Männer, jedenfalls gemessen an uns zwei
Graubärten.
    „Bon jour,
ça va, ça va bien?“ fragt der mit den unendlich dünnen und langen Beinen,
während der andere schweigt. Und schon sind sie an uns vorbei. Aber da sehen
wir, dass der Langbeinige, den wir fortan den „Storch“ nannten, seine Hose
völlig durchgeschwitzt hat. Es sieht beinahe so aus, als hätte er wegen seines
unheimlichen Tempos keine Zeit gehabt, in gesitteter Form seine Notdurft zu
verrichten.
    „Du musst
mal deine Hose wechseln“ ruft ihm Heinz hinterher. Zum Glück versteht das der
Franzose, wie wir annehmen, nicht.
    Der Durst plagt uns jetzt mehr und mehr, unsere Flaschen sind leer
und kein Pilgerbrunnen ist in Sicht. Aber so ist das, wenn man unter der Obhut
von Sankt Jakobus pilgert. Dort, wo man das schmale Sträßchen nach rechts
verlassen muss, um auf einem Grasweg, am Leizarateca-Berg vorbei, nach Spanien
zu wandern, kommt plötzlich ein Pkw
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