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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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das Hündchen anfassen“.
    Noch nie im
Leben hat mir jemand mit solcher Liebenswürdigkeit wie Madame — und das auch
noch in der melodischen französischen Sprache — erklärt, dass sie für uns
nichts tun kann, überhaupt nichts, leider nein, denn wir beide seien heute ja
noch nicht gepilgert. Am Abend kämen noch Fußpilger, für die der Platz ohnehin
nicht ausreiche.
    Bei so viel
Liebenswürdigkeit geben wir uns sofort geschlagen. Ja, wir hätten vor unserem Weitergehen
noch den Garten umgegraben und vielleicht auch noch ein bisschen Holz
gespalten, hätte Madame uns darum gebeten. Ohne Groll im Herzen hätten wir das
alles gemacht und auch ohne das weiße Hündchen ins Ohr zu zwacken. Statt dessen
bekommen wir einen Stempel in unseren Pilgerpass und dann „adieu, adieu, bon
voyage“ und „fassen sie das Hündchen nicht an, wenn sie rausgehen“.
    Später, auf
dem Camino durch Spanien, trafen wir immer wieder Pilger, die in
Saint-Jean-Pied-de Port Station gemacht hatten und von der „Madame mit dem
weißen Hündchen“ erzählten und dabei wurde uns klar, dass es sich bei dieser
liebenswürdigen Dame um eine der vielen Legenden am Jakobsweg handelt — neben
all den anderen, die wir noch kennenlernen sollten. Aber niemand konnte mir das
Geheimnis verraten, warum man das weiße Hündchen partout nicht anfassen durfte.
Würde es beißen, oder würde es vor Schreck tot umfallen?

Der Dicke am Pilgerbrunnen
     
    Wieder
draußen in der Nachmittagshitze, müssen wir uns nur kurz und wortlos ansehen,
um zu wissen, wo wir die erste Nacht verbringen werden: im Freien. Da gibt es
gar keine Frage, ein anständiger Pilger geht doch nicht ins Hotel — also
Weißbrot kaufen und Salami, Käse, Paprika und Tomaten und natürlich für jeden
eine Flasche Rotwein, „Vin du Patron“, wie er heißt.
    Kleine
Zwiebeln hat mein Gefährte aus seinem Garten mitgebracht, „Vorrat für zehn
Tage“, wie er beteuert und auch, dass das gut ist für die Verdauung und das
beste Mittel gegen solche Darmbakterien, die den Pilger zur Unzeit auf Trab
bringen könnten.
    Aber wir
brauchen auch noch Wasser für unsere Aluminiumflaschen, weiß Gott, wann wir
wieder an Wasser kommen.
    Am Brunnen
bei der Kirche angekommen, sitzt dort der erste Pilger, dem wir begegnen. Groß,
blond und blauäugig und mit unheimlich breiten Schultern. Man könnte ihn für
den späten Abkömmling eines Wikingers halten, wäre da nicht auch noch sein
unheimlich dicker Bauch, der beim Rudern durch die Nordseewellen hinderlich
gewesen wäre. Und da sind auch noch ein paar müde nachdenkliche Augen, so dass
man dann sich eher an einen Bernhardiner erinnert fühlt. Auch der Orangensaft,
den er, allerdings mit etwas mürrischem Gesicht, trinkt, und von dem er uns
sofort anbietet, so, als wolle er dieses Zeug schnell los werden, passt nicht
ganz ins Wikingerklischee.
    „Willst du
auch bis Santiago laufen?“
    „Ja,
eigentlich schon, na ja, man wird ja sehen, wie das alles wird.“
    „Wir dürfen
nicht in der Herberge übernachten, weil wir heute noch nicht gewandert sind.
Wir laufen ein paar Kilometer in die Berge und übernachten dann im Freien.“
    „Ja, ich
weiß auch noch nicht, was ich mache, vielleicht lauf’ ich auch noch ein
bisschen.“
    „Na denn
„buen camino“, vielleicht sieht man sich noch mal wieder, der Weg ist ja noch
lang.“
    Während wir
die Straße hinauf in Richtung Pyrenäen wandern, die Straße, über die schon so
viele Pilger gegangen sind, auch wenn im Mittelalter die Hauptroute durch das
Valcarlos-Tal geführt haben mag, wo heutzutage die Nationalstraße verläuft,
stellen wir Überlegungen an, wie weit man mit so einem dicken Bauch laufen
kann.
    Mit ihm, dem
„Dicken“, wie wir ihn nannten, sollten wir, sehr viel später, noch ein
besonderes Erlebnis haben.
     
     

Nächtliche
Bärenjagd in den Pyrenäen
     
    Wir lassen
die Mauern von Saint-Jean schnell hinter uns. Aber dann geht es nur langsam
voran. Der zunächst noch asphaltierte Weg steigt
    steil an,
wir keuchen in der schwülen Hitze und schnell sind unsere Hemden
durchgeschwitzt. Verflucht, da steht uns ja noch einiges bevor! Auch der
Rucksack fängt schon an zu drücken.
    Ach wie
schön wäre da jetzt eine fränkische Dorfwirtschaft mit Hausmacherwurst und
Fassbier! Aber nein, die einzeln stehenden wenigen Bauernhöfe, an denen wir
hier oben vorbeiwandern, wirken eher abweisend, wie Festungen gegen hungrige
und durstige Pilger.
    „Aber weißt
du“, meint mein Gefährte,
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