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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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meinen Gefährten genüsslich obige Zeilen vorlese,
fällt nun bei uns in Ungnade, aber Tobias meint, ich hätte wohl nicht die
neueste Auflage mitgenommen. Wir gehen weiter, bis wir an das Gymnasium kommen.
Von einer Studentin, die hier freiwillig Dienst tut, werden wir sehr freundlich
empfangen. Aber „wyn und brot“ gibt es im Gymnasium natürlich nicht.
    In der
geräumigen Halle stehen Stockbetten, aber man kann es sich auch auf einer
Matratze unten auf dem Boden gemütlich machen, ganz wie man will. Es gibt viele
Duschen und viel Platz, gute Luft und bis jetzt nur eine Handvoll Pilger. Ein
älterer Engländer, den wir auch schon kennen, schnarcht bereits lauthals vor
sich hin. Ein zweiter Engländer, sein Gefährte, ist vorerst noch mit seinen
Blasen an den Füßen beschäftigt, aber dieses Problem wird er mit seiner Nadel,
durch die er schon den Faden zieht, auch schnell gelöst haben. Dann kann auch
er ein geräuschvolles Mittagsschläfchen halten. Darauf freut er sich
offensichtlich schon, denn wie wir bei ihm Vorbeigehen, winkt er uns fröhlich
zu.
     
     

Die goldene
Krone auf dem Totenschädel
     
    Draußen ist
es sehr heiß, aber ohne Rucksack auf dem Rücken bleiben wenigstens unsere
Hemden trocken. Wir gehen die Calle Fuente del Hierro entlang und sind nach
kurzer Zeit in der Ciudadela, einer außerordentlich weitläufigen Festungsanlage,
deren gepflegte Grünflächen heute den Großstadtmenschen zur Entspannung dienen.
Das war nicht immer so. Als Festungsanlage errichten lassen hat sie im 16.
Jahrhundert der spanische König Philip II. Für Spaniens und Europas weitere
Entwicklung spielte dieser Monarch eine gleichermaßen nachhaltige wie
unglückliche Rolle. Von seinem Vater Karl V. hatte er 1558 immerhin ein Reich
geerbt, „in dem die Sonne nicht untergeht“. Aber die einzige Idee, die ihn in
seiner 40-jährigen Regierungszeit umtrieb und die sich in ihm zu einer
Zwangsvorstellung ausgewachsen hatte, war die Wiederherstellung der römischen
Universalkirche und die umfassende Ausbreitung des spanischen Absolutismus.
Derartig globale Projektionen aber konnten von einem unbelehrbaren, pedantischen
und phantasielosen Bürokraten nicht bewältigt werden. Manche meinen sogar, dass
er geistig nicht gesund war. Ein Blick in seine Genealogie ist auch in diesem
Zusammenhang nicht ganz uninteressant. Seine Urgroßmutter war Isabella I., die
im Jahre 1469 ihren Vetter Ferdinand II. geheiratet hatte. Beide Könige nennt
man auch „die Katholischen“. Wie groß oder klein auch immer die Liebe gewesen
sein mag, in der damaligen Zeit spielte so etwas als Motiv für eine
Eheschließung überhaupt keine Rolle. Es ging um etwas ganz anderes. Isabella
brachte die Anwartschaft auf das Königreich Kastilien ein und Ferdinand auf das
Königreich Aragon, womit die beiden größten Königreiche Iberiens vereinigt
werden sollten. So aber war der Weg zur spanischen Großmacht vorgezeichnet: Im
Jahre 1492 wurde, wir werden im Zusammenhang mit der Pilgerbewegung nach
Santiago hiervon noch einiges hören, das letzte maurische, also muslimische
Fürstentum Granada eingenommen und die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel
aus der Hand der Mauren, die Reconquista, war hiermit abgeschlossen. Christoph
Columbus konnte jetzt nach zähem Ringen mit dem Hof und der Kirche endlich
„klar Schiff“ machen und die Segel setzen.
    Isabella und
Ferdinand hatten aber auch eine Tochter Johanna. Diese wurde nicht nur die
erste Königin eines geeinten Spaniens. Wohl zu Recht nannte man sie auch „die
Wahnsinnige“. Zweimal hat es in ihrem Leben pressiert: Im Jahre 1496 begegnete
sie im niederländischen Lierre, nahe bei Antwerpen, ihrem Zukünftigen, dem
Habsburger-Prinzen Philipp dem Schönen. In zwei Tagen sollte Hochzeit sein,
eine politische Hochzeit versteht sich. Aber da schlugen die Flammen der Liebe
ungezügelt empor, beide brannten lichterloh. Die zwei Tage bis zur vorgesehenen
Hochzeit kann und will man auf keinen Fall abwarten, nein, es muss gleich sein.
In aller Eile wird ein Priester aufgetrieben und das Schlafgemach muss auch
sofort gerichtet werden, es pressiert eben. Und so hatte das Haus Habsburg
schon am nächsten Morgen Spanien im Bett erobert.
    Aber auch am
24. Februar 1500 pressierte es auf einem Hoffest in Gent. Die hochschwangere
Königliche Hoheit erreicht gerade noch den Abort, um den kleinen Karl zur Welt
zu bringen, der später als Kaiser Karl V. so stolz darauf war, dass in seinem
Reich, mit Blick auf die
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