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Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Titel: Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Autoren: Loki Schmidt
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englische Sprache ziemlich geläufig. Aber versuchen Sie mal, den Begriff »entartete Kunst« auf Englisch verständlich zu erklären und auch, warum man sie selbst trotz der damaligen Verdammung weiterhin für wunderbar hielt und warum man nun froh war, dass sie wiederanfing, eine Rolle zu spielen. Helmut und ich waren sehr davon angetan, als in einem berühmten New Yorker Museum eine Ausstellung deutscher Expressionisten stattfand. Sie hat damals, Anfang der siebziger Jahre, einen großen Eindruck in Amerika gemacht und dem deutschen Expressionismus viel Ansehen verschafft.
    Haben Sie Bilder Ihrer Lieblingsmaler in den Kanzlerbungalow hängen lassen?
    Wer unsere Lieblingsmaler sind, können Sie hier bei uns an den Wänden sehen: die Worpsweder und Fischerhuder, insbesondere Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker, und die Hamburger Maler des frühen 19. Jahrhunderts, unter anderen Hugo Schmidt, dessen Frau als befreundete Lehrerin Helmuts Eltern für die Reformschulen interessiert hatte.
    Von anderen Schulen, von der »Brücke« beispielsweise …
    Deren Maler habe ich leider höchstens mal bei Ausstellungen gesehen. Das ist etwas anderes, als wenn man mit Bildern lebt. Dennoch, die Bilder der Künstlervereinigung »Brücke« finde ich sehr eindrucksvoll.
    Sie waren und sind aber zu teuer, um sie kaufen zu können.
    Völlig aussichtslos.
    Aber einen Emil Nolde haben Sie doch auch in Ihrem Haus?
    Mehrere Zeichnungen. Bilder von ihm sind ja auch bei den Ausstellungen im Kanzleramt gezeigt worden; ein besonders schönes Nolde-Gemälde hing dort im Arbeitszimmer meines Mannes.
    1986 sind Sie zu Bernhard Heisig in die DDR gefahren, der Ihren Mann für die Kanzlergalerie porträtieren sollte.
    Zuerst war allerdings der Sohn Bernhard Heisigs zu uns nach Hamburg gekommen, um die Verbindung aufzunehmen. Helmut und ich waren uns damals schon einig, dass es ein Maler aus der DDR sein sollte, der ihn für das Kanzleramt porträtieren sollte. Ich fand, zwischen Impressionismus und Expressionismus stehend, passte Bernhard Heisig in die Zeit … Wie ich später gemerkt habe, hat er durchaus auch impressionistische Bilder gemalt. Hier an der Wand hängt eine Landschaft, die wahrscheinlich niemand Bernhard Heisig zuordnen würde. Sie war noch nicht getrocknet, das Öl war noch feucht, als er sie mir mitgebracht hat. Bevor es mit dem Malen losging, haben wir Heisig in Leipzig besucht. Bei unserem Gespräch war ein Aufpasser dabei, der stellvertretende Kulturminister der DDR. Er war die ganze Zeit umuns, fiel aber nicht besonders unangenehm auf. Letztlich musste er wohl Bernhard Heisig, der SED-Mitglied und ein Vorzeigekünstler der DDR war, bei seinen Unterhaltungen mit den prominenten Klassenfeinden aus dem Westen kontrollieren.
    Einen anderen Künstler aus der DDR, Gustav Schmahl, ein fabelhafter Geiger, hatte Helmut in Kalifornien getroffen, wo er ein Konzert gegeben hatte. Später, als er noch zu DDR-Zeiten ein Konzert in Hamburg gab, ist er von dort aus heimlich zu uns an den Brahmsee gekommen. Wir hatten ihn, nachdem wir erfahren hatten, dass er in Hamburg spielte, eingeladen. Mich hat sein heimlicher Besuch bei uns sehr berührt. Ich habe ihm erzählt, dass ich ganz früh Geige spielen gelernt und dann hauptsächlich Bratsche in verschiedenen Orchestern gespielt habe. Da hat er mir seine kostbare Geige in die Hand gedrückt und gesagt: »Versuchen Sie doch mal!« Das fand ich ganz rührend. Jedenfalls hat kein Mensch gemerkt, dass Gustav Schmahl bei uns gewesen ist.
    Künstlerische Höhepunkte während der Regierungszeit Ihres Mannes waren auch die gelegentlich vom Kanzleramt organisierten Konzerte im Palais Schaumburg. Welche Künstler haben dort gespielt?
    Ich kann mich nicht mehr an alle erinnern, aber ich weiß, dass Yehudi Menuhin mehrfach im Palais Schaumburg gespielt hat; er hat uns auch einmal am Brahmsee besucht. Ein erstaunlicher Geigenvirtuose, der auch menschlich sehr angenehm war.
    Wer wurde zu den Konzerten eingeladen?
    Das diplomatische Corps und Interessierte. Da ich Gastgeberin war und die Räumlichkeiten begrenzt waren, musste ich darauf achten, dass nicht zu viele Gäste eingeladen wurden.
    Sie standen bei solchen Gelegenheiten, vor und nach den Konzerten, wieder in der Repräsentationspflicht. Haben Sie sich trotzdem bei der Musik entspannen, sie genießen können?
    So richtig entspannen konnte ich mich natürlich nicht. Die Gastgeberpflicht war immer präsent. Ich erinnere aber, dass Helmut und ich
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