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Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Titel: Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Autoren: Loki Schmidt
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gestrampelt, als du ein Vierteljahr alt warst.« Daher weiß ich auch ziemlich genau, wann mein Vater dieses Bild gemalt hat. Für ein erstes Ölbild ist es erstaunlich gelungen. Später hat er durch intensives Hinsehen und Nachempfinden zu einer moderneren Richtung gefunden und ist mehr ins Expressionistische gegangen. »Prinzessin Birke« ist noch naturalistisch; das Bild, das er von meiner Mutter gemalt hat, ist schon etwas expressionistischer.
    Sind Ihre Großeltern künstlerisch interessiert gewesen, sodass sie ihre Kinder, vor allem Ihren Vater, inspiriert haben?
    Überhaupt nicht. Von einer solchen Inspiration habe ich jedenfalls nichts feststellen können. Mein Großvater väterlicherseits war zweiter oder dritter Sohn einer Bauernfamilie in Brandenburg. Damals war es Sitte – heute, glaube ich, nicht mehr –, dass die erstgeborenen Söhne den Hof bekamen, und die anderen männlichen Kinder erhielten Geld, um etwas zu lernen. Das war früher auch anders als heute: Wenn man einen Beruf erlernen wollte, bekam der Lehrherr Geld dafür. Heute ist vielleicht nicht mehr jedem bewusst, dass man damals bezahlen musste, um etwas zu lernen. Die Mädchen der oft kinderreichen Familien gingen in größere Städte und arbeiteten irgendwo im Haushalt, um ein wenig Geld zusammenzusparen für die Aussteuer. Wenn sie schließlich jemanden gefunden hatten, haben sie geheiratet.
    Meine Großmutter mütterlicherseits in Hamburg hatte jedoch sehr eigene Vorstellungen von der Zukunft ihrer vier Töchter. Die sollten nicht Däumchen drehen oder im Haushalt arbeiten und warten, bis sie geheiratet wurden. Meine Großmutter, geboren 1869, hat ihren Mann vielmehr dazu überredet: Unsere Töchter sollen alle eine richtige Lehre machen. Alle vier haben dann auch eine Lehre mit Gesellenbrief absolviert. Meine Mutter ist Schneiderin geworden, die drei Jüngeren sind ins Kontor gegangen, in eine Bank. Was ich als Kind von meinen Tanten hörte: Zu Weihnachten bekam jeder der Angestellten einen Klöben, eine Art Stollen, und einen Taler, ein Geldstück. Das waren schöne blankgeputzte Taler.
    Nun zurück zu meinem Vater. Sicher hat er auch viele musische Anregungen aus der Schule bekommen, denn sein Lehrer und eine ganze Reihe von dessen Kollegen waren schon in der Kaiserzeit für ein modernes Schulwesen eingetreten. Schon um die Jahrhundertwende gab es hier in Hamburg viele Reformbestrebungen. Von der Schule und insbesondere von seinem Lehrer, Herrn Feldmann, den ich noch kennengelernt habe, ist er, was die Kunst angeht, sehr angeregtworden. Herr Feldmann fand es übrigens bemerkenswert, dass mich die Pflanzen so interessierten. Das war jedoch weniger das Thema meiner Eltern; Pflanzen musste man zwar auch kennen, aber Musik und Malerei waren ihnen wichtiger. Herr Feldmann hat übrigens nicht nur meinen Vater, sondern auch andere seiner Schulkinder stark beeinflusst. Er hatte sich ein Grundstück in der Heide – heute gehört es zu Hamburg-Neugraben – gekauft. Am Wochenende ist er dann dorthin gefahren, und seine Schüler konnten, wenn sie Geld hatten für die Fahrt, mitkommen. Da sind sie sehr viel gewandert.
    Wurde an den Wochenenden auch musiziert?
    Die sind hauptsächlich gewandert … Aber gelegentlich haben sie dort draußen auch musiziert. Künstlerisch betätigt haben sie sich vor allem in der Schule. Dort hat mein Vater sicher viele Anregungen bekommen, doch es muss bei ihm auch eine künstlerische Grundbegabung vorgelegen haben.
    Und Ihre Mutter stand dem Musischen auch sehr offen gegenüber?
    In der Familie meiner Mutter ist sehr viel gefeiert worden, und dabei wurde dann auch ausgiebig gesungen. Für meine Großmutter ist zwar Künstlerisches nicht so wichtig gewesen, aber die vielen Feiern, die es bei ihr gab, hatten durchaus, wenn man so will, einen künstlerischen Hintergrund, denn die Dekorationen für die Feste wurden mit großer Phantasie selbst hergestellt. Diese Feierei in der Familie meiner Großmutter war schon erstaunlich. Ähnliches hat es in Helmuts Familie nicht gegeben. Dort gab es jedoch Helmuts Onkel Ottomar Otto, der Lehrer und lange Jahre mein Kollege gewesen ist. Er hat vor allen Dingen komponiert. In meiner Familie wurden bekannte Melodien mit neuen Textenversehen, und in der Schmidt’schen Familie wurden Musik und Texte von Onkel Ottomar Otto geliefert.
    Wie wirkt die Begegnung mit Kunst – sagen wir, mit einem ausdrucksvollen Gemälde oder einem Bach-Konzert – auf Sie? Erhebt Sie das
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