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Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Titel: Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Autoren: Loki Schmidt
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Anforderungen der Kanzlerzeit auch persönlich immer unter größerem Druck stand als »normale« Menschen.
    Welche Künstler, die Sie in Ihrer Bonner Zeit kennengelernt haben, fanden Sie besonders eindrucksvoll?
    Sie waren so unterschiedlich, letztlich aber waren alle beeindruckend. Henry Moore haben wir in England besucht, Lenny Bernstein war ein Temperamentsfeger. Haben Sie ihn mal dirigieren sehen? So lebhaft, wie er sich am Dirigentenpult gab, war er auch im wirklichen Leben.
    Sie haben auch einmal mit ihm und anderen zusammen gesungen, Somebody Loves Me , ganz spontan und improvisiert.
    Sicher haben wir häufiger gesungen, aber eigentlich nur aus dem Augenblick heraus. Wenn man über etwas redete, fiel einem irgendein Lied ein, einer oder mehrere begannen zu singen, und alle anderen stimmten ein. Das ist vielleicht sogar ein ganz gutes Beispiel dafür, wie normal und unaufgeregt, ohne Ressentiments, Lenny und wir miteinander umgegangen sind. Er stammte ja aus einer jüdischen Familie und hatte die Verbrechen der Nazis nicht vergessen. – Henry Moore wiederum war ganz anders. Sehr viel leiser, beinahe scheu. Ich bin sehr froh, dass er seine großartige Skulptur Large Two Forms für den Vorplatz des Bundeskanzleramtes in Bonn hergegeben hat. Ich denke, sie war und ist dort ein großes Schmuckstück.
    Mit Herbert von Karajan verbinden uns gemeinsame Erlebnisse. Bei ihm sind wir während der Salzburger Festspiele ein paarmal gewesen. Wir haben dann in seinem schönenHaus in Anif gewohnt. Wenn wir abends gemeinsam zum Konzert nach Salzburg fuhren, schubste mich seine Frau Eliette immer so, dass ich zu ihrem Mann ins Auto stieg. Wir sind immer so gefahren, dass sie mit Helmut und ich mit ihm im Auto saß. Die Hinfahrt verlief jeweils mehr oder weniger stumm. Wir wurden von einem Chauffeur gefahren. Auf der Rückfahrt habe ich manchmal nachgefragt, wenn mir eine Stimme in seinem Orchester besonders aufgefallen war oder er sie besonders hervorgehoben hatte. Dann habe ich ihn zum Beispiel gefragt: »Warum haben Sie an jener Stelle die Celli so hervorgehoben?« Er hat mir das dann musikalisch erklärt. Wenn Karajan ein Konzert zu dirigieren hatte, musste man ihn vorher schlicht in Ruhe lassen. Ich saß dann während der Fahrt brav und stumm neben ihm.
    Die Schauspielerin Lilly Palmer war um einiges lebhafter. Sie konnte meinen Mann gut leiden – wofür ich Verständnis habe – und hat das auch zu erkennen gegeben.
    Konnte sie malen?
    Da drüben an der Wand hängt ein Bild von ihr. Sie war immer unterwegs und quirlig und hat sich das Ausruhen innerlich nicht erlaubt. Vielleicht hat sie sich beim Malen ausgeruht. Bestimmte Dinge in ihr sind dann womöglich zur Ruhe gekommen. Den Eindruck habe ich jedenfalls von ihren Bildern gehabt.
    Als Kanzler hat sich Ihr Mann darum bemüht, das unterentwickelte Verhältnis zwischen der politischen Macht und der Kunst zu stärken. Das geschah unter anderem mit wechselnden Ausstellungen im Kanzleramt (Emil Nolde, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Max Ernst). Haben Sie ihn bei der Konzipierung beraten?
    Das haben wir immer gemeinsam gemacht. Es hat uns beiden nicht gefallen, dass die Kunst eine so untergeordnete Rolle in der Politik spielt. Deshalb haben wir uns überlegt, Ausstellungen im Kanzleramt zu veranstalten. Sie sollten auch als eine Art Wiedergutmachung für die Künstler dienen, die während des Naziregimes als »entartet« verfemt worden waren.
    Haben Sie den Eindruck, dass die Ausstellungen genug beachtet worden sind?
    Sie waren immer nur am Wochenende für die Öffentlichkeit zugänglich. Ob viele der Besucher zu jenen zählten, die noch miterlebt hatten, dass bestimmte Kunstrichtungen in der Nazizeit verboten waren, oder ob es einfach Neugierige waren, die mal ins Kanzleramt schauen wollten, kann ich schwer sagen. Wahrscheinlich waren beide Gruppen unter den Besuchern vertreten. Die Medien haben die Ausstellungen vernünftigerweise auch häufiger beachtet.
    Besonders dem Expressionismus wollten Sie beide Wiedergutmachung zuteilwerden lassen. Sicher war es auch für ausländische Staatsgäste interessant, bei ihren Besuchen den deutschen Expressionismus zu erleben. Von dem wusste man im Ausland meistens nicht viel.
    Als Helmut Verteidigungsminister war, fand einmal eine internationale Konferenz statt, während der ich die Frauen zu unterhalten hatte. Ich habe ihnen etwas vom Expressionismus erzählt und wie er in der Nazizeit verboten war … Damals war mir die
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