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Auf Amerika

Auf Amerika

Titel: Auf Amerika
Autoren: B Schroeder
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Volksschule gehe. Später, er macht eine Elektrikerlehre, sehen wir uns regelmäßig, ziehen an den Wochenenden über die Dörfer, erst mit den Fahrrädern, später mit seinem Motorrad.
    Am Morgen muss er den Stall ausmisten, neu einstreuen, die Kühe füttern, wenn sie nicht im Moos auf der Wiese sind. Da kommt er dann manchmal in der Frühe nicht dazu, sich die Füße vor der Schule zu waschen. Dann stinkt es im Klassenzimmer so sehr nach Jauche und Kuhscheiße, dass der Lehrer Geißreiter fluchend die Fenster aufreißt, den Benno in den Hof schickt zum Füßewaschen und sagt, bleib gleich unten und hack Brennholz! Da beneide ich den Benno immer, denn ich würde auch lieber Holz hacken als langweilige Geschichten aus dem Lesebuch abschreiben.
    Geschichten wie die vom dummen Hans.
    Die Geschichte geht so:
    Hol Pfeffer und Salz im Kramerladen, sagt die Mutter zum Hans und gibt ihm einen Teller. Der Hans geht zur Kramerin und sagt, Salz soll ich holen, und er hält den Teller hin. Die Kramerin tut ihm das Salz auf den Teller. Und Pfeffer soll ich auch holen. Wo soll ich den denn hintun?, fragt die Kramerin. Der Hans dreht den Teller um, und die Kramerin tut den Pfeffer auf den Teller. Daheim zeigt der Hans der Mutter den Teller mit dem Pfeffer. Und wo hast du das Salz?, fragt die Mutter. Der Hans dreht den Teller um. Es geht eben nichts über die Gescheitheit, sagt die Mutter.
    Die Geschichte müssen der Benno und ich eines Tages zehnmal abschreiben, weil wir gelacht haben, wie der Lehrer Geißreiter über seine Krücke gestolpert und hingefallen ist. Lieber abschreiben als Tatzen mit dem Rohrstock, haben wir uns gesagt.
    Beim Benno daheim bin ich nicht so gern. Da wuseln zu viele Kinder mit ihren Rotzglocken umeinander, und sogar die Hühner laufen in der Küche herum und scheißen auf den Boden. Dabei ist die Kreitmeierin immer sehr nett zu mir, und wenn sie sagt, ich soll doch zum Essen dableiben, muss ich mir eine Ausrede erfinden, weil ich bei dem Dreck und angesichts der Kinder, denen noch das letzte Essen im Gesicht anzusehen ist, keinen Bissen hinunterkriegen würde. Ich glaube, der Benno merkt das. Aber wir reden nie darüber. Das Gute bei den Kreitmeiers ist, dass man, wenn man Verstecken spielt im Hof, gleich jede Menge Mitspieler hat, die alle vom Kreitmeier sind.
    Wenn der Benno bei uns ist, dann ist er ganz schüchtern, bringt meinen Eltern gegenüber kaum einen Satz heraus, sitzt da, schaut sich um und sieht manchmal ganz traurig aus, als würde er mich beneiden um die Ordnung und Ruhe, die bei uns herrschen. Dabei ist es bei uns viel langweiliger als bei ihm daheim.

19
    Mein Vater redete viel, wenn der Tag lang war und oft auch die Nacht. Er redete über alles, wusste alles besser als andere, redete über Dinge, von denen er nichts verstand, oft sogar weniger als ich. Ich wunderte mich manchmal, dass die häufig Fremden gegenüber misstrauischen Bauern ihn reden ließen, ihm zuhörten, manchmal gar zustimmten, durch leichtes Nicken zumeist. Sie waren bereit, ihm zuzugestehen, der Seiler ist in der Welt draußen herumgekommen, hat an den ungefährlichsten Fronten des Krieges gekämpft und geschickt überlebt. Der weiß mit dem Hirn anzuschaffen. So war mein Vater fast dem Pfarrer, aber auf alle Fälle dem Lehrer ebenbürtig. Im Gegensatz zu meinem Vater waren die beiden studierte Bauernsöhne. Der Pfarrer ist nie über die Kreisstadt, wo er im Priesterseminar war, hinausgekommen, war aber in Dachau im KZ, der Lehrer war einmal nach Russland und zurück marschiert. Vom Leben draußen in der Welt wussten sie nicht viel, weshalb sie nicht durchschauten, was für ein Blender mein Vater war. Sie sahen in ihm eine Bereicherung, denn von seiner doch häufig funktionierenden Überzeugungskraft gegenüber den Bauern, die er stets mit dem Hinweis untermauerte, dass er sich mit dem Herrn des Heiligen Geistes und dem Verwalter des Alphabets gleichen Sinnes weiß, strahlte nicht wenig auch auf sie ab. Da sah der Herr Hochwürden darüber hinweg, dass mein Vater, wenn überhaupt konfessionell gebunden, dann eher ein Protestant war, und der Herr Lehrer duldete es, dass der Seiler nicht wie er der christlichen Partei nahestand, sondern den Sozialdemokraten und damit logischerweise, so sah man das, den Kommunisten, und dass er gegen die Prügelstrafe war, die für ihn zu den höchsten Errungenschaften der Pädagogik gehörte, von der er auch, als sie verboten wurde, nicht Abstand zu nehmen bereit war.
    Mit dem
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