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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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Gebote und Verbote. Das Problem beim vorehelichen Geschlechtsverkehr ist aber natürlich, dass man es einer Frau leichter nachweisen kann, wenn sie sich nicht an das Gebot gehalten hat, als einem Mann.
    Islamische Mädchen müssen bis zu ihrer Hochzeitsnacht Jungfrau sein. Unehelicher Sex, vorehelicher Sex ist tabu. Das hört sich altmodisch und verstaubt an, war aber im Christentum nicht anders und auch heute gibt es wieder Strömungen, die Enthaltsamkeit propagieren. Uns aufgeklärten und liberalen Menschen kommen diese Bewegungen zwar komisch vor, auf der anderen Seite: Misst sich der Fortschritt einer Gesellschaft tatsächlich daran, ob vorehelicher Geschlechtsverkehr erlaubt ist? Sind die Menschen tatsächlich glücklicher mit ihren wechselnden Beziehungen, den Millionen von Möglichkeiten, der Ungebundenheit, der Beliebigkeit und den verschiedenen Geschlechtspartnern? Natürlich ist eine selbstbestimmte Sexualität absolut wichtig, aber wer sagt, dass arabische Frauen diese nicht haben, nur weil sie ihre Sexualität mit nur einem Partner ausleben?
    Absolut richtig ist auch der Verweis auf die Doppelmoral bei diesem Thema. Männer dürfen alles. Frauen nichts. Am Tag des Jüngsten Gerichts werden Männer und Frauen allerdings gleichermaßen auf die Probe gestellt, falls Gott sich tatsächlich für solche Fragen interessiert, und dann kommen wahrscheinlich alle Frauen in den Himmel und die Männer eben nicht.
    Neben diesen theologischen Überlegungen steht aber auch die gesellschaftliche Realität, und selbst wenn es von außen so aussieht, als würde sich nichts bewegen, so haben sich die Dinge in den letzten dreißig Jahren grundlegend verändert. Durften die Mädchen früher noch nicht einmal raus, um mit einer Freundin essen zu gehen, durften sie, krass gesagt, noch nicht einmal am Fenster stehen und nach draußen schauen oder eine Freundin zu Hause besuchen, so sind diese Selbstverständlichkeiten heute in den meisten Familien kein Thema mehr. Natürlich fühlt es sich auch für mich komisch an, solche Selbstverständlichkeiten als Fortschritt zu erwähnen, trotz allem muss man bedenken, von welcher Stufe aus die Leute losgegangen sind und wo sie heute stehen. Wenn eine arabische Mutter heute sagt, dass sie überhaupt kein Problem damit habe, wenn eine ihrer Töchter studieren würde, dann ist das ein Riesenfortschritt. Wenn sie dann erklärt, dass es allerdings ein großes Problem wäre, wenn diese Tochter dieses Studium in einer anderen Stadt aufnehmen würde, dann ist das vielleicht jetzt noch ein Thema, aber in dreißig Jahren womöglich keines mehr. Kann man dann nicht trotzdem erst einmal den Fortschritt würdigen?
    Eine von Hassans Nichten wollte mit auf eine Klassenfahrt nach Italien. »Niemals«, war die Antwort ihres Vaters und sämtlicher Onkel. Die Mutter hätte kein Problem damit gehabt, sie hätte ihre Tochter fahren lassen, aber die männlichen Verwandten waren dagegen. Hassan selbst war dort, als das Thema aufkam, und Hassan war der Erste, der sich dagegen ausgesprochen hat. Warum? Im Grunde ist es doch so, dass er weiß, wie er selbst einmal war, und Angst hat, dass seine Nichte auf einen Typen wie ihn trifft, auch wenn er heute ganz anders und gottgefällig leben will. Er weiß, wie er früher war, und er denkt, die anderen sind genauso. Das ist dann wie bei ehemaligen Drogenkonsumenten, die ihren Kindern alles verbieten, weil sie Angst haben, die könnten genau wie sie selbst werden.
    Das Vertrauen der Mütter in ihre Töchter ist viel größer als das Vertrauen der Väter in ihre Kinder. Wahrscheinlich deshalb, weil die Männer sich eben nie an die Regeln gehalten haben und deshalb denken, dass alle anderen auch die Regeln brechen. Die Frauen wissen, dass sie sich innerhalb dieser Vorschriften nichts haben zuschulden kommen lassen, und vertrauen deshalb auch darauf, dass ihre Töchter genauso vernünftig sind, und wahrscheinlich tun sie das zu Recht. Da aber dann doch die Männer das letzte Wort haben, dürfen diese bestimmen. Das ist tatsächlich ungerecht. Das ist auch falsch, und es wird als zutiefst ungerecht empfunden. Das ändert man aber nur durch Argumentation, wenn man es schafft, den Männern ihre Scheinheiligkeit und Doppelmoral nachzuweisen. Im Übrigen wird auch hier die Zeit einiges regeln und in der nächsten Generation darf die Tochter dann eben mit auf Klassenfahrt.
    Hier findet auch ein heftiger Generationenkampf innerhalb der Familien statt, wenn ein übertriebener
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