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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen, sind das oftmals deutsche Staatsbürgerinnen. Deutsche Frauen mit arabischer Herkunft vielleicht, aber letzten Endes eben doch Deutsche.
    Trotz allem sind gerade die Frauen den meisten Vorurteilen ausgesetzt. Oft wird zum Beispiel schlicht und einfach vorausgesetzt, dass sie kein Deutsch können. Wie nahe ihnen die Ablehnung durch die deutsche Gesellschaft geht, kann man wahrscheinlich gar nicht nachvollziehen, wenn man das nicht selbst erlebt hat.
    Hassans Schwester wollte einmal einen Arztbesuch ausmachen und musste noch ein paar Unterlagen dort vorbeibringen. Also hat sie mit der Sprechstundenhilfe telefoniert und einen Termin vereinbart, alles ganz normal. Als sie dann dort ankam, fragte die Sprechstundenhilfe relativ unfreundlich: »Was du wollen?« Hassans Schwester war ein bisschen perplex und meinte: »Entschuldigen Sie bitte, wir haben telefoniert und ich habe einen Termin«, worauf die Sprechstundenhilfe erwiderte: »Wir Telefon?« Da ist Hassans Schwester der Kragen geplatzt und sie sagte: »Geht’s noch? Können Sie nicht richtig Deutsch? Wir haben doch gerade telefoniert und Sie haben gesagt, dass ich vorbeikommen soll, was ist denn plötzlich los mit Ihnen?« Das war der Frau dann natürlich unfassbar peinlich und sie hat sich ausgiebigst entschuldigt, aber da sieht man, wie stark die Menschen sich von Äußerlichkeiten aufs Glatteis führen lassen. Am Telefon dachte die Sprechstundenhilfe, sie würde mit einer Deutschen sprechen, die einen Ausländer geheiratet hat und deshalb diesen Nachnamen trägt, und dann stand eine von diesen Kopftuchfrauen vor ihr. Das hat die in ihrem Kopf irgendwie nicht zusammengekriegt und so etwas passiert öfter, als man denkt.
    Viele Deutsche denken, wenn die Frauen Kopftuch tragen, sind sie verblödet und zurückgeblieben. Viele meinen dann auch, dass man mit diesen Frauen machen kann, was man will, weil die ja sowieso nichts verstehen. Das kränkt diese Frauen, es liegt aber auch daran, dass solche Frauen in der Öffentlichkeit so gut wie nie in Erscheinung treten und keine Stimme haben. Eigentlich wäre es notwendig, dass diese Frauen sich zusammenschließen und politisch in Erscheinung treten oder zumindest gesellschaftlich oder kulturell. Dass man aber generell davon ausgeht, dass diese Frauen, nur weil sie ihr Haar nicht zeigen, auch keine Meinung haben, ist ein Fehler. In ihrer eigenen Welt sind sie nämlich durchaus der Chef, artikulieren ihre Wünsche, setzen ihre Meinung durch und finden Strategien, damit ihre Bedürfnisse erfüllt werden.
    Nichtsdestotrotz wünschen sich auch arabische Frauen, dass sich die Dinge noch mehr verändern. Das sind nicht unbedingt große politische Veränderungen, das sind eher Veränderungen im Privaten, mehr Unterstützung im Haushalt zum Beispiel und bei der Kindererziehung. Sie wünschen sich durchaus, dass die klassische Rollenverteilung der Geschlechter aufgehoben wird und gerade im Kleinen, in der Familie, im Haushalt mehr Gleichberechtigung und Gerechtigkeit herrschen. In diesem Punkt, wenn es um die Emanzipation innerhalb der Familie geht, unterscheiden sich übrigens arabische Frauen nicht grundlegend von deutschen Frauen. Auch heute noch steht jede junge Frau, die ein Kind bekommt, vor dem Problem, wie sie ihren Typen dazu bekommt, sich gleichberechtigt um die Erziehung zu kümmern. Da kann sie noch so emanzipiert aufgewachsen sein und die deutschen Männer können noch so sehr betonen, wie wahnsinnig emanzipiert sie seien, sobald ein Kind da ist, sobald aus einem Paar eine Familie geworden ist, verfallen die Menschen gerne wieder in die alten Rollenklischees. Da werden die heftigsten Konflikte darüber ausgetragen, wer was wann und wie viel macht, mit dem Endergebnis, dass die Typen unterwegs sind und die Frauen mit ihren Kindern zu Hause hocken. Verrückt, oder?
    Von den Deutschen, von der deutschen Öffentlichkeit wünschen sich diese Frauen Anerkennung und ein wenig mehr Interesse. Sie wünschen sich, dass man sie nicht immer nur darauf reduziert, dass sie als Kopftuchfrauen neue Kopftuchmädchen produzieren, um sie dann zur Seite zu schieben, wie es innerhalb der Diskussion nur allzu gern gemacht wird. Genauso wenig wie eine deutsche Frau aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes beleidigt werden will, und zwar zu Recht nicht beleidigt werden will, genauso wenig wollen diese Frauen nur aufgrund ihres Äußeren automatisch als dumm, ungebildet und zurückgeblieben betrachtet
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