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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde
Autoren: Robert Tibber
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können; dort hatte er sich eingegraben, nachdem er vom Wege abgerutscht war.
    »Ruf Smithy in der Garage an, sei so lieb«, sagte ich zu Sylvia, und ordnete Pennys und Peters Mäntel und Handschuhe und Socken und Schals auf der Heizung ein wenig anders, weil ich Platz für meine eigenen Kleidungsstücke brauchte.
    Sie kam zurück, als ich meinen Kaffee trank. »Smithy ist schon seit dem frühen Morgen unterwegs, um Wagen herauszuziehen. Nun sieh nur, was für Pfützen im Flur stehen!«
    »Laß doch jetzt die Pfützen. Versuch den Automobilclub zu erreichen.«
    »Hab’ ich doch. Sie sind ständig belegt.«
    »Nun, wenn ich den Wagen nicht herausbekomme, kann ich meine Visiten nicht machen. Hat schon jemand angerufen?«
    »Bis jetzt sind es fünfzehn Visiten.«
    »Du machst Spaß!«
    »Nein, gewiß nicht. Einige deiner Patienten wären sonst in die Sprechstunde gekommen, aber sie können nicht wegen dem Schnee.«
    »Nun«, sagte ich und beeilte mich, meinen Kaffee auszutrinken, »am besten spute ich mich jetzt und gehe los.«
    Ich hätte mich nicht zu beeilen brauchen. Im Sprechzimmer waren weder Robin noch Miss Nisbet noch Patienten.
    Ich ging hinaus und setzte mich noch einmal versuchsweise in den Wagen und hörte zu, wie die Räder sich heulend in den Rosenbeeten drehten.
    »Kann ich dir helfen?« sagte Robin durch das Fenster. Er trug einen alten Feuerwehrhelm.
    »Wo bleibst du denn? Wo ist dein Wagen?«
    »Ich mußte ihn unten am Hügel stehen lassen. Es ist -unmöglich, den Hügel hinaufzukommen. Und was treibst du hier inmitten deiner Blumenbeete?«
    »Mach keine Scherze, schieb mich lieber an.«
    »Was glaubst du wohl, wer ich bin? Herkules? Dieser Wagen wiegt über eine Tonne.«
    »Macht doch nichts. Schieb schon!«
    Er schob, bis sieh sein Gesicht blaurot verfärbte, was nicht zu dem gelben Helm paßte. Die Räder drehten weiter durch.
    »Bitte Sylvia um etwas Salz.«
    Penny und Peter, die bis zu den Zähnen eingehüllt waren, kamen mit dem Teetablett heraus.
    »Was habt ihr vor?«
    »Wir gehen zur Schule. Wiedersehen, Vati!«
    Sie setzten sich draußen vorm Gartentor auf das Tablett und glitten damit den Hügel hinunter.
    Ein halbes Salzfäßchen war alles, was Sylvia an Salz vorrätig hatte, es war nutzlos. Wir versuchten, unter die Hinterräder Säcke zu legen. Der Wagen stand nun im rechten Winkel zum Gartenweg.
    Mr. Howard und Mr. Webster, in Gamaschen und Bowler, stapften die Straße entlang.
    »Schwierigkeiten, Doktor?«
    Sie kame n, um zu helfen. Auch der Milchmann half, der rutschend mit seinem Milchwägelchen ankam, und der Postbote, bis zu den Augen hinter dem Schal versteckt.
    Wir brachten es gemeinsam fertig, den Wagen bis auf die Straße zu schieben. Mr. Howard und Mr. Webster, deren Kleidung nicht eben die geeignete dafür war, bogen ihre Hüte wieder zurecht, der Milchmann und der Postbote gingen ihrer Wege.
    »Es ist jemand im Wartezimmer«, sagte Sylvia.
    Es war Mrs. Plumb, die stöhnend ihren Schenkel rieb.
    »Wie haben Sie es fertiggebracht, in dem Schnee und mit dem schmerzenden Bein bis hierher zu kommen?« fragte ich sie.
    Sie gab mir einen schiefen Blick. »Gar nicht. Ich wollte für meinen Mann eine Bescheinigung abholen und bin draußen auf der Treppe zu Ihrer Praxis ausgerutscht. Sie werden von meinem Rechtsanwalt hören.«
    Das war die nächste Aufgabe. Robin und ich fegten den Schnee weg und verstreuten das noch übriggebliebene Salz aus dem Speisezimmer auf die Treppe.
    Es dauerte anderthalb Tage. Von jeder Visite, die ich machte, mußte ich ausgegraben werden. In praktisch jedem Haus, das ich aufsuchte, gab es Schwierigkeiten: keine Kohle, keinen Koks, eingefrorene Leitungen, blockierte Abflußrohre. In einigen Straßen waren die Hauptleitungen selbst eingefroren, so daß die Häuser völlig ohne Wasser waren. Es war wie in Sibirien.
    Ich schlang ein Omelett hinunter, das gräßlich schmeckte.
    »Kein Salz«, sagte Sylvia. »Du hast es auf der Treppe verstreut.«
    Dies war nur der Anfang. Am nächsten Tag fiel wieder Schnee, und es wurde noch wesentlich kälter. Das Haus war ein Eispalast.
    »Stell den elektrischen Ofen an.«
    »Kein Strom«, sagte Sylvia. »Offenbar wird der Strom rationiert.«
    Dafür waren wir alle elektrisch geladen. Wir hatten keine Heizung, ich konnte mich nicht rasieren und mußte zu meinem kalten Frühstück ausgepreßten Orangensaft trinken.
    Mrs. Hodges Tochter Jenny, die mit geschwollenen Mandeln und hoher Temperatur zu Bett lag, galt meine erste
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