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Asylon

Asylon

Titel: Asylon
Autoren: Thomas Elbel
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unserer piccola
cerimonia teilzunehmen. Ist es so?« Er beugte sich vor und flüsterte
Torn ins Ohr: »Bitte verzeih den religiösen Hokuspokus. Die Wahrheit ist, dass
ich es einfach liebe, sie brennen zu sehen. Aber meine Männer stehen auf diesen
Bibelquatsch.«
    Grinsend straffte er sich wieder
und drehte sich um. Offensichtlich fühlte er sich nicht im Mindesten von Torn
bedroht. Und warum auch? Als Sohn eines Clanchefs wusste er, welche Grenzen
einem Leveller gezogen waren. Die Verbreitung von Terror unter der
Normalbevölkerung fiel nicht in Torns Zuständigkeit. Als Wächter des
Machtgleichgewichts war er in allen Belangen, die dieses Gleichgewicht nicht
tangierten, zu strikter Neutralität verpflichtet. Die Leveller mochten eine
Abteilung der Polizei unter Gouverneur Vanderbilt sein, aber sie waren eben
keine gewöhnlichen Polizisten wie etwa Rygor und seine beiden Pudel.
    »Löst ihre Fesseln!«, rief
Emiliano. »Sie soll durch die Tore der Hölle laufen wie die andere. Und nehmt
ihr auch den Knebel raus. Ich will hören, wie sie den Herrn um Verzeihung
anfleht.«
    Seine Männer taten wie ihnen
geheißen. Zitternd und von Methanol triefend stand die Frau auf. Frau? Sie war noch ein halbes Mädchen. Von Sputanos wieder
brennendem Feuerzeug bedroht, wich sie ein paar Schritte zurück, bis ihr das
Brückengeländer jede weitere Flucht unmöglich machte.
    »Bitte, Signore«, flehte sie mit
gefalteten Händen.
    »Bitte was? Bitte mach schnell?
Bitte nimm meine Sünden von mir, Herr? War es das, was du sagen wolltest?«
    Ängstlich schüttelte das Mädchen
den Kopf.
    »Nun, ich weiß, du wolltest ganz
sicher nicht um Gnade bitten, denn wie könntest du auch? Es ist nun einmal erwiesen,
dass du eine Hexe bist. Der gute Pinocchio dort hinten«, brausend schwenkte das
Feuerzeug hinüber zu einem Mann in rostrotem Ensemble mit grünem Plastron, dem
irgendein nekrotisches Leiden die Nase bis auf einen Höcker mit zwei Höhlungen
abgefressen hatte, »hat seinen cazzo in deine grotta versenkt, und er ist alles andere als unversehrt
wieder herausgekommen. Nun kann er’s seiner Signora daheim nicht mehr besorgen. Willst du etwa leugnen, dass es dein böser Zauber
war, der ihn um die Kraft seiner Lenden brachte?«
    Das Feuerzeug wurde wieder
herumgeschwenkt und verharrte eine halbe Armlänge vor ihrer blassen Nasenspitze.
    »Oh, bitte, Signore.«
    »Weißt du was? Unser Gespräch
beginnt mich zu langweilen.«
    Das Feuerzeug näherte sich wieder
dem Mädchen.
    »Das kannst du nicht zulassen,
Boss«, zischte es hinter Torn.
    Scooter hatte recht. Auch wenn
ein Eingreifen ungefähr gegen die Hälfte aller dienstlichen Vorschriften verstieß,
fühlte er den Drang, etwas zu tun. Er hob die Pistole wieder an und betete
stumm und inständig, dass man es nicht als den plumpen Bluff durchschauen
würde, der es war.
    »Leg das Feuerzeug weg!«
    Immerhin hörte sich seine Stimme
viel fester an, als er erwartet hatte. Langsam und mit ausgebreiteten Armen
drehte sich Emiliano um, in die Richtung, aus der Torns Pistole auf ihn zielte.
Die Flamme des Feuerzeugs in seiner Hand flackerte nervös. Sein Grinsen schien
zu sagen: Genau das habe ich erwartet. Doch seine
gezupften Augenbrauen kräuselten sich zu einer fein geschwungenen Woge der
Untröstlichkeit.
    Der Mann mit der Maschinenpistole
lud die Waffe mit lautem Ratschen durch und richtete sie wieder auf Torn.
    » Cosa, Signor Torn?«, fragte Emiliano im ernsten Tonfall tiefster Besorgnis. »Was ist
los?«
    »Steck das Feuer weg, und lass
das Mädchen gehen.«
    Ein knatterndes Lachstakkato
schüttelte Emiliano.
    Es endete so abrupt, wie es
begonnen hatte. Sein Gesichtsausdruck hatte deutlich an Freundlichkeit verloren.
»Sonst was? Willst du mich erschießen, Masterleveller, wie meine Brüder? Ganz
ohne Grund?« Er gestikulierte wie in einer schlechten Operette. »Aber das wäre
ja … come si dice … un Inequismo . Das könnte dir den
Hals brechen.«
    »Lass sie einfach gehen.«
    »Sie gehen lassen?« Emiliano
platzte schier vor theatralischem Entsetzen. Es war allzu offensichtlich, dass
er Torns Bluff durchschaute. »Aber warum denn? Sie ist una
strega. Allora, sie muss brennen.«
    Ohne jede Vorwarnung flog das
Feuerzeug auf das Mädchen zu.
    Torns Nackenhaare stellten sich
in Erwartung des Grauens auf, das sich unweigerlich vor seinen Augen abspielen
würde. Wie im Traum hörte er einen Knall, just in dem Moment, in dem das
Feuerzeug eine der schützend ausgestreckten Hände des
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