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Astrella 02 - Brudernacht

Astrella 02 - Brudernacht

Titel: Astrella 02 - Brudernacht
Autoren: Gmeiner-Verlag
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die Nummer der Polizei. Das waren sie ihr schuldig.

3
    Es verweigert die Nahrung und hat trotzdem die Kraft zu schreien. Immer noch liegt es allein im Zimmer. Der Tränenschleier vor seinen Augen verhindert, dass es viel sieht. Nur manchmal nimmt es den linken Daumen in den kleinen Mund. Dann dauert es nicht lange und ein riesengroßer dunkler Kreis taucht über ihm auf und gibt ruhige Laute von sich. Das Kind verharrt dann mit dem Nuckeln. Doch spätestens, wenn sich etwas Warmes, das zu diesem riesengroßen dunklen Kreis gehört, auf seine Stirn legt, nimmt es den Daumen wieder heraus. Und schreit. Das Warme zuckt dann zurück und es dauert nicht lange, bis der riesengroße dunkle Kreis verschwindet.
     
    Nachdem es bereits zum dritten Mal an der Haustür geklingelt hatte, stand Louis Astrella endlich auf und öffnete.
    »Guten Morgen «, begrüßte ihn der junge Postbote. An seinem verschwitzten Gesicht mit dem freudlosen Lächeln unter dem borstigen Schnauzer erkannte Astrella, dass der Junge es eilig hatte. Er reichte ihm zwei Briefe, einer davon in einem zartblauen Umschlag.
    »Das da ist ein Einschreibebrief, für den ich eine Unterschrift brauche.«
    Astrella unterschrieb den Beleg, bedankte sich bei dem Postler, der eilig grüßend und ein schönes Wochenende wünschend in die Hitze entschwand, und ging durch das sonnendurchflutete Wohnzimmer zurück in die geräumige Küche mit dem großen Esstisch. Aus einem Kofferradio drang Musik, hin und wieder unterbrochen von Informationen. Neben einer aufgeschlagenen Zeitung auf dem Esstisch stand seine azurblaue Kaffeetasse mit dem Sonnenblumenmuster, daneben ein weißer Teller mit einem angebissenen Wurstbrot.
    Mit der rechten Hand fuhr er sich durch das dichte braune Haar. Die grauen Strähnen an den Schläfen waren nicht zu übersehen. Knapp einsneunzig groß, mit leichtem Bauchansatz, verstärkten sie den Eindruck der Seriosität, den er auf andere Menschen gemeinhin machte. Seine kastanienbraunen Augen erfassten den Absender des Einschreibebriefs, den er nun öffnete: Es handelte sich um eine geschäftliche Sache im Zusammenhang mit seiner Arbeit als Sicherheitsberater. Rasch überflog er den Inhalt, bevor er den zartblauen Umschlag des zweiten Briefes in die Hand nahm. Er stammte von seiner Tochter Sandra aus Italien. Astrella entnahm vier engbeschriebene Bögen seidigen Briefpapiers, lehnte sich nach hinten in seinen Stuhl und begann zu lesen.
    »Hi Paps!
    Gloria hat Dir sicher schon gesagt, dass ich in den Herbstferien nicht kommen kann. Obwohl ich mich natürlich darüber aufgeregt habe, hat sie wie gewohnt ihre eigenen Pläne. Aber Du weißt ja, wie sie ist. Manchmal frage ich mich echt, wie Ihr fünfzehn Jahre miteinander verheiratet sein konntet. Leider redet Gloria nicht viel darüber. Ich würde manchmal gerne mehr über dieses Thema erfahren, doch sie lenkt immer wieder davon ab. Vor allem jetzt, wo ich Valerio kennengelernt habe, vermisse ich jemanden, mit dem ich über solche Dinge sprechen kann. Dich vermisse ich ständig. Aber obwohl Gloria weiterhin nicht vorhat zu heiraten, glaube ich langsam nicht mehr daran, dass wir drei irgendwann wieder richtig zusammenkommen. Zwar wären einige Kandidaten für eine Hochzeit bereit, aber ich glaube, keiner wird so richtig schlau aus ihr. Früher, als Du noch bei der Polizei gearbeitet hast, hast Du oft genug von undurchsichtigen Fällen und Gestalten erzählt. Damals dachte ich, es sei eine Ausrede dafür, dass Du nicht mehr erzählen musst. Aber jetzt begreife ich von Tag zu Tag mehr, was mit ›undurchsichtig‹ gemeint war. Irgendwie ist Gloria nämlich auch undurchsichtig. Das hört sich jetzt zwar irgendwie nach Verbrechen und schlechten Absichten an, aber ich glaube, Du weißt, wie ich das meine. Da wäre zum Beispiel das Theater mit ihrem Vornamen. Wie Dir sicher schon aufgefallen ist, schreibe ich von ihr nur noch als Gloria und nicht mehr als Mutter. Sie möchte von mir nur noch mit Gloria angeredet werden, aber einen richtigen Grund konnte sie mir dafür bisher nicht nennen. Ich versuche jedenfalls, mir das MUTTER einfach abzugewöhnen. Manchmal ist das sehr schwer für mich, weil ich automatisch an Dich denke, wenn ich von Mutter rede oder schreibe.
    Vielleicht will sie Dich auch auf diese Art aus ihrem Leben streichen. Natürlich erinnere ich sie ständig an Dich. Vor ein paar Tagen hat sie mich gefragt, warum ich Dich noch Paps nenne, obwohl Du gar nicht mehr bei uns bist. Als ob das etwas
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