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Aster, Christian von - Die grosse Erdfer

Aster, Christian von - Die grosse Erdfer

Titel: Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
Autoren: Zwerg und Uberzwerg
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preisgegeben hätten.
    In einer Welt, in der die meisten Geschichten bereits in der Mitte mit »Ach, was soll’s, lass uns lieber einen trinken!« endeten, war das zweibeinige Gedächtnis ein Außenseiter.
    Es folgte dem Hohepriester auf Schritt und Tritt. Ein kleiner, unauffälliger Zwerg, der gewöhnlich in das schlichte Ornat der Erinnerung gehüllt war und sich alles einprägte, was für den Einen unter den Vielen von Bedeutung sein konnte. Tatsächlich gebraucht wurde das Gedächtnis allerdings nur selten. Außer bei den großen Zeremonien wie der Wurzelweihe, der Eierweihe und der Bartweihe, wo es in das Ornat der Verkündung schlüpfte und die Titel des Hohepriesters komplett rezitieren musste. Da man jedoch während der Deklamation dieser hochheiligen Titel nicht trinken durfte, war das zweibeinige Gedächtnis einer der meistgehassten Zwerge des Reiches.
    Im Augenblick stand es in angemessenem Abstand gut drei Bart hinter dem Höchsten der Hohen und stierte – während es, um sich die Zeit zu vertreiben, im Geiste einige uralte schlüpfrige Lieder rezitierte – Löcher in die Luft der Orakelhöhle.
    Das einzige Licht an diesem Ort stammte von einem brummenden Leuchtkäfer, den der Hohepriester an einen Stab gebunden über das Orakel hielt und in dessen Widerschein der Glorreiche unter den Ruhmreichen und Wunderwirkendste aller Wunderwirker ungläubig von der Empore aus in den Schacht hinabblickte.
    Am Grunde des Schachtes befand sich das Orakel. Es bestand aus zwei Dutzend in Stein geritzte Runen, die alles repräsentierten, was im Leben des Ehernen Volkes eine Rolle spielte. * Seit mehr als zweitausend Jahren lagen die Runensteine in fast der gleichen Formation am Grunde der Orakelhöhle.
    Diese Steine waren das Werkzeug der Weissagung. Sie und ein blinder Olm aus der Gattung der Grottengrantler. Ein bleicher, hässlicher, beinahe durchsichtiger und so gut wie ausgestorbener Lurch, dessen kurze Beine ihn an Land nicht weit trugen und der mit den Letzten seiner Art in einem überaus heiligen Tümpel in den Gemächern des Allerüberhöchsten lebte.
    Die Zwerge erachteten den Olm als ein Werkzeug der Götter. Für sie hatte jedes Tier eine Bedeutung, denn die Götter hatten jedes Einzelne von ihnen geschaffen, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Dementsprechend ernährte sich das Eherne Volk überwiegend von Wurzeln, Knollen und Pilzen und achtete die Geschöpfe, mit denen es die Gänge teilte. Die größte Achtung aber wurde dem Olm zuteil.
    Um das Orakel zu befragen, setzte der Hohepriester, der den Schacht unter keinen Umständen betreten durfte, das Tier vor dem Olmloch am Fuß der Treppe ab und beobachtete dann von der Empore aus seinen Lauf.
    Sobald der Olm die Höhle einmal durchmessen hatte, musste der Hohepriester jede Rune, die er auf seinem Weg berührt hatte, in seiner Weissagung berücksichtigen.
    Die Regeln dieses Rituals waren ebenso klar und unumstößlich wie die meisten Regeln und Gesetze des Ehernen Imperiums. Seit Urzeiten bestimmte der Lauf des Olms das Schicksal der Zwerge. Er öffnete dem Hohepriester die Augen.
    Heute aber wollte er seinen Augen nicht recht trauen. Denn die Steine, die das Tier berührt hatte, missfielen ihm sehr. Vor allem, da er sie nur zu gut zu deuten wusste.
    Inzwischen blinzelte das Tier schon zum dritten Mal an diesem Tag aus seinen großen blinden Augen zu ihm hoch. Der Olm war beinahe so alt wie der Hohepriester selbst und bereits viel zu lange an Land. Nichtsdestotrotz würde der Hohepriester ihn noch ein weiteres Mal losschicken. Denn den Weg, den der Olm an diesem Tag genommen hatte, hätte er eigentlich nicht einschlagen dürfen.
    Bei der Hohen Höhle, dem heiligen Geröll und dem größten aller Steine. Es war unmöglich, vollkommen unmöglich!
    Seit Stunden schüttelte der Hohepriester nun schon den Kopf, dass die Wurzeln an seinem Helm zitterten. Wieder und wieder hatte er seine geschliffenen Augengläser gesäubert, den Olm genommen, ihn wieder an seinen Ausgangspunkt gesetzt und von Neuem durch die Höhle laufen lassen.
    Doch es blieben die gleichen Steine. Immer wieder die gleichen Steine. Vier Runen, deren Verbindung ihn schaudern ließ. Zumal eine von ihnen zu den zweien gehörte, die seit Hunderten von Jahren unberührt in der Mitte des Orakels geruht hatten. Wenn die Vorhersage stimmte, dann war das letzte Zeitalter des Ehernen Imperiums angebrochen, das Ende von Zwerg und Zwergeszwerg…
    Unmöglich. Undenkbar!
    Nachdenklich zwirbelte der
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