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Aster, Christian von - Die grosse Erdfer

Aster, Christian von - Die grosse Erdfer

Titel: Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
Autoren: Zwerg und Uberzwerg
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Priester seinen weißen Bart und ließ die kunstvoll geflochtenen Strähnen durch seine Finger gleiten, während sein finsterer Blick durch die schimmernden Augengläser auf ein weit entferntes Nirgendwo hinter der Felswand gerichtet schien. Leise summte der Leuchtkäfer am Ende seines Stabes über dem Grund der Höhle.
    Es blieb dabei. Unmöglich. Undenkbar!
    Ein Fehler. Ein Irrtum.
    Und er würde es beweisen! Er hob seinen Stab und wirbelte derart plötzlich herum, dass sein Gedächtnis erschrocken zusammenfuhr und für einen Moment den Faden seines schlüpfrigen Liedes verlor.
    Das Licht des summenden Käfers über dem höchst priesterlichen Helm des Findenden unter den Suchenden warf zuckende Schatten auf seine sorgenvolle Miene. Sein Gedächtnis vermochte seinen Gesichtsausdruck nicht zu deuten, was jedoch auch nicht zu seinen Aufgaben gehörte. Es hatte einzig gelernt, zu gehorchen und sich Dinge einzuprägen. Und im Augenblick ging es darum, zu gehorchen.
    Sein Herr, der Träger aller Titel und Verwirrende unter den Verwirrten, offenbarte ihm, dass er zu meditieren wünsche.
    Er wollte seinen Geist dem des großen Steines gleichmachen, und dafür brauchte er Ruhe. Jene Form von Ruhe, wie sie die Anwesenheit eines Gedächtnisses – gleich, wie viele Beine es hatte – nicht zuließ. Darum verwies der Hohepriester seinen Getreuen der Orakelhöhle und schickte ihn fort.
    Kaum dass sein Gedächtnis sich getrollt hatte, schlug der Höchste der Hohen seinen Umhang zurück, schnallte sich seinen Stab samt Käfer auf den Rücken und kletterte – was freilich auch dem Bärtigsten aller Bärtigen verboten war – schlechten Gewissens schnaufend die schrundige Felswand zum Grund des Orakels hinab.
    Das war nicht die rechte Betätigung für einen Tausendjährigen. Er hätte in seiner Wohnhöhle sitzen und sich Bier einschenken lassen sollen. Seine alten Beine schmerzten, während seine Füße nach kleinen Vorsprüngen in der Wand tasteten und er langsam seinen Weg nach unten fand.
    Es war dunkel genug, um sich im Nachhinein einreden zu können, dass das, was gleich geschehen würde, niemals passiert war. Außer ihm wusste niemand um die Anordnung der Runen. Und wenn er am Ende des Abends genug trank, würde vermutlich sogar er vergessen, was er gleich tun würde. Im Lauf der Geschichte des Ehernen Volkes war eine solche Ungeheuerlichkeit wie die, zu der er sich gerade hinreißen ließ, nur zweimal vorgekommen. Sein Vorgänger hatte ihm davon erzählt. Und dieser hatte es von seinem Vorgänger erfahren. Derlei Geschichten behielten die Hohepriester für sich und hielten ihr Gedächtnis da raus.
    Es wäre eine Erzsünde gewesen, dem Ehernen Volk die Botschaft des Orakels vorzuenthalten, auch wenn die Hohepriester es im Laufe der Jahrtausende hin und wieder gern einmal getan hätten. Was freilich nicht bedeutete, dass die Botschaft sich nicht ändern konnte…
    Die Hohepriester logen nicht. Niemals. Sie beugten lediglich ein wenig die Wahrheit.
    Schnaufend sprang der Träumende unter den Schlafenden von der Felswand in die Orakelhöhle hinab, glättete seine Robe und zog seinen Käferstab hervor. Er hielt das summende Tier direkt über den Boden und schritt in dem grünlichen Widerschein vorsichtig zwischen den Steinen umher.
    Aus dem Dunkel heraus funkelten ihm die blinden Augen des Olms entgegen.
    Von der Wurzelrune ging der Hüter alles zu Hütenden weiter zum Bierstein, der direkt neben dem des Tieres und der Rune der fragmentarischen Erkenntnis im weichen Sand des Höhlenbodens lag. Unweit dieser drei lag halb eingesunken der Hammer des Lebens, einen Bart weiter der Stein des Ehernen Volkes, dahinter der für die Farben Schwarz und Weiß und die Rune der Hohen Höhle.
    Hier bückte sich der Hohepriester das erste Mal und griff nach einer der Runen, nicht ohne einen unsicheren Blick über die Schulter in Richtung des Olms zu werfen.
    Das Schicksal war eine merkwürdige Angelegenheit. Es ließ sich nur schwer in bestimmte Bahnen lenken. Und wenn es jemand versuchte, fürchtete er stets, dabei ertappt zu werden.
    Der Meister der Meister und Freund der Felsen schwenkte den Käferstab hin und her und entdeckte eine weitere Rune. Hastig ergriff er den Stein und schaute sich nach dem nächsten um, während er die ersten beiden in den Händen wog.
    Die Drachenrune, Magma und der Ewige Schmied. Zwei Bart weiter lagen die Runen für Ernte und Gold. Gleich dahinter die Körperrunen: Kopf, Fuß, Herz, Hand, die zugleich für die
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