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Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Autoren: Oliver Bowden
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mich auch das Kindermädchen bedacht hatte, als würde die Missbilligung mir gegenüber von einer Generation an die nächste weitergegeben wie geheimes Wissen.
    Auf der einen Seite lebten also die Dawsons, diese scheuen, seilhüpfenden Dawsons mit ihren zu Zöpfen geflochtenen Haaren, während auf der anderen Seite die Barretts wohnten. Eine Familie mit acht Kindern, Jungen und Mädchen. Aber sie erblickte ich ebenfalls nur selten. Genau wie mit den Dawsons beschränkten sich auch meine Begegnungen mit den Barretts darauf, dass ich sah, wie sie in Kutschen stiegen oder in der Ferne über die Felder gingen. Eines Tages dann, kurz vor meinem achten Geburtstag, schlenderte ich an der hohen Mauer um unseren Garten entlang und zog dabei einen Stock über die bröckelnden Ziegelsteine. Ab und zu blieb ich stehen, um Steine umzudrehen und die Insekten, die darunter hervorkrabbelten, zu inspizieren – Asseln, Tausendfüßler, Würmer, die sich wanden, als streckten sie ihre langen Leiber –, bis ich bei der Tür anlangte, die zu einem Durchgang zwischen unserem Haus und dem der Barretts führte.
    Die schwere Pforte war mit einem riesigen, rostigen Metallschloss versperrt, das aussah, als sei es seit Jahren nicht geöffnet worden. Ich betrachtete es eine Weile und wog es in der Hand, als ich plötzlich eine flüsternde Jungenstimme vernahm.
    „He, du. Stimmt es, was man über deinen Vater sagt?“
    Die Stimme drang von der anderen Seite der Tür zu mir, allerdings brauchte ich einen Augenblick, um das zu begreifen – einen Augenblick, in dem ich erschrocken und vor Angst fast starr dastand. Im nächsten Moment fuhr ich vor Schreck beinah aus der Haut, als ich durch ein Loch in der Tür in ein starres Auge blickte, das mich, ohne zu blinzeln, musterte. Dann hörte ich die Frage noch einmal.
    „Komm schon, die werden mich gleich rufen. Stimmt es, was man über deinen Vater sagt?“
    Ich beruhigte mich und beugte mich etwas vor, bis sich mein Auge auf der Höhe des Loches in der Tür befand. „Wer ist da?“, fragte ich.
    „Ich bin’s, Tom. Von nebenan.“
    Ich wusste, dass Tom der Jüngste war, ungefähr in meinem Alter. Ich hatte gehört, wie er beim Namen gerufen wurde.
    „Und wer bist du?“, erwiderte er. „Ich meine, wie heißt du?“
    „Haytham“, antwortete ich und fragte mich, ob Tom mein neuer Freund war. Sein Augapfel sah jedenfalls recht freundlich aus.
    „Das ist ein komischer Name.“
    „Ein arabischer. Er bedeutet ‚junger Adler‘.“
    „Ach so, das ergibt Sinn.“
    „Was meinst du damit? Warum ergibt das einen Sinn?“
    „Ach, ich weiß nicht. Irgendwie eben. Und du bist allein, stimmt’s?“
    „Ich habe eine Schwester“, erklärte ich. „Und Mutter und Vater.“
    „Ziemlich kleine Familie.“
    Ich nickte.
    „Also“, drängte er, „stimmt es nun oder nicht? Ist dein Vater das, was man sagt? Und lass dir bloß nicht einfallen, mich anzulügen, das seh ich nämlich in deinen Augen, weißt du? Ich kann auf Anhieb erkennen, ob du lügst.“
    „Ich werde nicht lügen. Ich weiß ja nicht einmal, was ‚man‘ über meinen Vater sagt, und auch nicht, wer ‚man‘ ist.“
    Im selben Moment beschlich mich ein merkwürdiges und nicht unbedingt angenehmes Gefühl. Es rührte daher, dass es irgendwo eine bestimmte Vorstellung davon gab, was als „normal“ galt, und dass wir, die Familie Kenway, dieser Vorstellung nicht entsprachen.
    Womöglich hatte der Junge, in dessen Auge ich blickte, meinem Tonfall etwas entnommen, denn er ergänzte eilig: „Entschuldige. Es tut mir leid, wenn ich etwas Unpassendes gesagt habe. Es hat mich nur interessiert, das ist alles. Es gibt da nämlich ein Gerücht, weißt du? Und wenn es stimmen würde, wäre das unglaublich aufregend …“
    „Was für ein Gerücht denn?“
    „Du wirst es sicher albern finden.“
    Ich kam mir mutig vor, näherte mein Gesicht dem Loch, blickte ihn an, Auge in Auge, und fragte: „Was meinst du? Was sagen die Leute über meinen Vater?“
    Er blinzelte. „Sie sagen, er sei einmal ein …“
    Plötzlich erklang ein Geräusch hinter ihm, und ich hörte eine wütende Männerstimme seinen Namen rufen: „Thomas!“
    Vor Schreck zuckte er zurück. „Ach, Mist!“, zischte er rasch. „Ich muss gehen, man ruft mich. Ich hoffe, wir sehen uns wieder?“
    Und damit war er verschwunden, und ich blieb zurück mit der Frage, was er wohl gemeint haben konnte. Was für ein Gerücht? Was redeten die Leute über uns, über unsere kleine
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