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Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Autoren: Oliver Bowden
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verließ der alte Mr Fayling das Zimmer, und ich wartete, bis seine Schritte verklungen waren, bevor ich, ohne meine Rechenaufgaben schon alle gelöst zu haben, aufstand, ans Fenster ging und zu der Villa nebenan hinüberschaute.
    Dawson hieß die Familie. Mr Dawson war ein Mitglied des Parlaments, ein MP, jedenfalls sagte mein Vater das und hatte dabei eine finstere Miene. Der Garten der Dawsons wurde von einer hohen Mauer umgeben, doch trotz all der Bäume, Büsche und Blüten war er vom Fenster meines Unterrichtszimmers aus teilweise einzusehen, und so konnte ich auch die Mädchen beobachten. Zur Abwechslung spielten sie Himmel und Hölle und hatten sich aus Paille-Maille-Schlägern ein provisorisches Kastenmuster zurechtgelegt, auch wenn es nicht den Anschein hatte, dass sie ihre Sache sehr ernst nahmen. Offenbar versuchten die beiden älteren, ihren jüngeren Schwestern die Feinheiten des Spiels beizubringen. Ich sah hüpfende Zöpfe, rosafarbene Kleider mit krausen Besätzen, dazu hörte ich sie rufen und lachen und dazwischen gelegentlich eine erwachsene Stimme, ein Kindermädchen wahrscheinlich, das von dem dichten, tief hängenden Laub eines Baumes vor meinen Blicken verborgen blieb.
    Für einen Moment vergaß ich meine Rechenaufgaben und schaute den Mädchen versonnen beim Spielen zu, bis plötzlich, fast so, als spüre sie, dass sie beobachtet wurde, eine der Kleineren – sie war vielleicht ein Jahr jünger als ich – nach oben sah, mich am Fenster erblickte und unsere Blicke sich trafen.
    Ich schluckte, dann hob ich ganz zaghaft eine Hand, um ihr zu winken. Zu meiner Überraschung erwiderte sie meine Geste mit einem Lächeln. Und dann rief sie auch schon ihre Schwestern, bis sie alle vier versammelt waren und aufgeregt die Hälse reckten und ihre Augen vor der Sonne beschirmten, um zum Fenster des Unterrichtszimmers heraufzuschauen, wo ich wie ein Ausstellungsstück in einem Museum stand – nur war ich ein bewegliches Ausstellungsstück, das winkte und vor Verlegenheit ein bisschen rot wurde. Dennoch verspürte ich auch das sanfte, warme Glimmen eines Gefühls, das so etwas wie Freundschaft gewesen sein mochte – und das sogleich wieder verging, nämlich in dem Moment, als das Kindermädchen aus dem Schutz der Bäume hervortrat und böse zu meinem Fenster heraufsah, mit einem Blick, der keinen Zweifel daran ließ, wofür sie mich hielt, nämlich für einen Spanner oder etwas noch Übleres, und dann scheuchte sie die vier Mädchen aus meinem Blickfeld.
    Diesen Blick, mit dem das Kindermädchen mich bedachte, hatte ich nicht zum ersten Mal gesehen, und ich sollte ihn wiedersehen – auf der Straße oder auf den Feldern hinter uns. Ich habe ja bereits geschrieben, wie meine Kindermädchen mich in großem Bogen um die abgerissenen bedauernswerten Menschen herumführten – und andere Kindermädchen hielten ihre Schützlinge auf die gleiche Weise von Leuten wie mir fern. Ich fragte mich eigentlich nie, warum. Ich fragte nicht danach, weil … ich weiß nicht … weil es keinen Grund gab, danach zu fragen, nehme ich an. Es war eben so, und ich kannte es nicht anders.
    II
    Als ich sechs war, drückte Edith mir ein Bündel gebügelter Kleider und ein Paar Schuhe mit silbernen Schnallen in die Hände.
    Kurz darauf trat ich hinter dem Paravent hervor, in meinen neuen Schuhen mit den glänzenden Schnallen, einem Wams und einer Jacke, und Edith rief eines der Hausmädchen, das sagte, ich sähe meinem Vater zum Verwechseln ähnlich, was allerdings auch der Zweck der Sache war.
    Später kamen meine Eltern, und ich hätte schwören können, dass Vaters Augen ein wenig feucht wurden, während Mutter keinen Hehl aus ihren Gefühlen machte und mitten im Kinderzimmer in Tränen ausbrach und mit den Händen wedelte, bis Edith ihr ein Taschentuch reichte.
    Wie ich so dastand, kam ich mir erwachsen und gelehrt vor, obwohl ich einmal mehr spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Ich ertappte mich bei der Frage, ob ich wohl den Mädchen von nebenan in meinem neuen Anzug gefallen hätte, ob sie fänden, ich sähe aus wie ein Gentleman. Ich dachte oft an sie. Manchmal erhaschte ich vom Fenster aus einen Blick auf sie, wenn sie im Garten herumtollten oder auf der Straße vor den Villen in eine Kutsche geleitet wurden. Einmal bildete ich mir ein, eine von ihnen hätte einen verstohlenen Blick zu mir heraufgeworfen, aber wenn sie mich sah, dann lächelte und winkte sie nicht. Ich sah nur einen Abglanz eben jenes Blickes, mit dem
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