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Assassino

Assassino

Titel: Assassino
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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gelangten. Auf der anderen Seite der Lichtung entdeckten sie einen gelben Fleck.
    Paolas Mini.
    Die Studentin lehnte an der Seite des Fahrzeugs und sah dem näher kommenden Fahrzeug in aller Seelenruhe entgegen. Von Ilyas war keine Spur zu entdecken.
    Sobald Mustafa den Van zum Halten gebracht hatte, sprang Kati aus dem Auto. »Wo ist er?«, rief sie Paola zu.
    Die junge Frau deutete über die Schulter, wo ein schmaler Weg ins Unterholz führte.
    »Los!«, rief Kati Seamus und Mustafa zu und wollte schon loslaufen, als Paola sie am Arm festhielt. »Nur du«, sagte sie ruhig. »Die beiden bleiben hier.«
    »Wer sollte sie daran hindern?«, funkelte Kati sie an.
    »Ich«, erwiderte Paola. »Und glaub mir, ich kann sehr überzeugend sein.«
    Einen Moment verharrten sie alle unbewegt. Dann brach Seamus das Schweigen. »Geh nur, Kati. Du kannst das auch alleine.«
    Wer weiß, wie viel Vorsprung Ilyas schon hatte? Eine Diskussion oder Auseinandersetzung mit Paola kostete nur wertvolle Zeit. Kati lief ohne Zögern um den Mini herum und folgte dem Pfad in den Wald hinein.

Freiheit
    Kati folgte dem Weg durch das dichter werdende Unterholz. Ihr fiel auf, dass keinerlei Vogelstimmen zu vernehmen waren. Das Knirschen des Laubs unter ihren Füßen und das Keuchen ihres Atems waren die einzigen Geräusche, die die Stille störten. Es kam ihr vor, als läge ein Fluch auf dem Wald, der selbst den Wind in den Baumkronen zum Erliegen brachte.
    Endlich erreichte sie eine kleine Lichtung. An der gegenüberliegenden Seite des Pfads ragte eine Felswand auf, in der ein Spalt klaffte.
    Eine Höhle.
    Die bedrückende Stille war hier noch stärker zu spüren. Es war ihr, als wehe sie aus der Höhle ein eisiger Hauch an, und einen kurzen Moment zögerte sie. Ihre Hand glitt in die Tasche, wo sich neben der Fibelscheibe, die sie aus der Schatulle genommen und eingesteckt hatte, auch die Schnitzerei befand, die ihr Ilyas zum Abschied geschenkt hatte. Sie umklammerte die kleine Holzfigur, atmete einmal tief durch und betrat die Höhle.
    Schon nach wenigen Metern verengte sich der Tunnel so sehr, dass sie ihre Schultern anwinkeln musste, um weiterzukommen. Zum Glück fiel durch Spalten in der Decke etwas Sonnenlicht von außen herein. Der Boden der Höhle warübersät mit gebrauchten Kondomen, zerknüllten Zigarettenschachteln, Zigarettenkippen und Splittern von zerschlagenen Flaschen, und sie musste höllisch aufpassen, um nicht in eine der Scherben zu treten.
    Der Tunnel wand sich tiefer in den Felsen hinein. War das wirklich der richtige Weg? Was war, wenn sie einer falschen Fährte gefolgt war?
    Aber dann hörte sie aus der Ferne Stimmen. Der Durchgang wurde noch mal schmaler, und sie musste sich seitwärts hindurchpressen, um voranzukommen. Die Stimmen wurden lauter. Eine davon kannte sie.
    Ilyas!
    Kati schob sich um eine Biegung im Fels. Ein Schwall kalter Luft kam ihr entgegen, und ohne Übergang gelangte sie in eine Grotte, deren Wände sich bis zur Spitze des Felsens emporstreckten und die von alten Feuerstellen, einer zerfledderten Matratze und ganzen Bergen von leeren Flaschen verunstaltet wurde.
    Und direkt vor ihr – Ilyas und Tamar.
    Es gab sie also wirklich!
    Kati ließ die Holzfigur in ihrer Tasche los und zog stattdessen die Fibelscheibe hervor, hielt aber die Finger darum geschlossen.
    Dann machte sie einen Schritt nach vorn.
    Die Frau wandte sich zu ihr um. Sie mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, schätzte Kati, und hatte langes schwarzes Haar, das zu zwei dicken Zöpfen geflochten war, die ein bleiches, wunderschönes Gesicht umrahmten. Über den hohen Wangenknochen funkelte ein Paar graublauer Augen, und dievollen Lippen hoben sich zu einem Lächeln, als sie Kati erblickte. Tamar trug eine weite kobaltblaue Hose und darüber ein schlichtes türkisfarbenes Gewand sowie einfache Sandalen. Das einzig Extravagante an ihr waren die Ringe an ihren Fingern.
    Das war also die unsterbliche Hexenkönigin von Georgien!
    Kati hatte sie sich anders vorgestellt, nicht so   …
normal
.
    Sie machte einen weiteren Schritt auf die beiden zu.
    Und jetzt spürte sie es.
    Wie hatte sie das nur vorhin nicht merken können? Von Tamar ging etwas aus, das die ganze Höhle wie ein unsichtbares Kraftfeld ausfüllte. Jede Bewegung kostete Kati Mühe.
    Ilyas hatte sich ebenfalls umgedreht.
    »Kati!«, rief er. »Nicht! Zurück!«
    Aber es war zu spät.
    »Du hast Gesellschaft mitgebracht?« Tamar bedachte Kati nach wie vor mit einem Lächeln.
    Ilyas
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