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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Autoren: Ilsa J. Bick
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faustgroßen Krater verheilt, mit dickem, glänzendem Narbengewebe darauf. Zwar hatte er etwas von seiner Kraft eingebüßt, aber er hinkte kaum noch und schaffte auch schon ein flottes Tempo beim Joggen. Trotzdem könnte ihm das Bein noch Probleme machen, vor allem wenn er längere Strecken zu Fuß zurücklegen musste. Jed würde ihm eines seiner beiden Pferde anbieten, doch das würde er ablehnen. Wenn Jed und Grace aus irgendwelchen Gründen von hier verschwinden mussten, waren sie auf ihre Tiere angewiesen. Also vielleicht irgendwo ein Pferd stehlen? Die rund hundertfünzig Kilometer zur Grenze von Michigan könnte er dann viel schneller hinter sich bringen. Aber jedes Tier – wie auch jeder Mensch – bedeutete zusätzliche Verantwortung; das hatte er Ellie selbst noch gesagt, als sie den Waucamaw-Nationalpark verließen. Sie konnten nicht jeden retten.
    Als ob es Ellie etwas genützt hätte . Der Gedanke an sie schnürte ihm die Kehle zu. Für ihn war von Anfang an klar gewesen, dass sich ihre Überlebenschancen auf eine ganz einfache Gleichung reduzieren ließen: Entweder besaß er die Stärke und den Willen, dafür zu sorgen, dass Alex und Ellie überlebten, oder die Menschen, die er ins Herz geschlossen hatte, würden sterben. Demnach hatte er versagt. Wieder einmal. Als es darauf angekommen war, hatte er es nicht geschafft, Ellie zu beschützen. Auch wenn es ihn noch immer schmerzte, an das kleine Mädchen zu denken, quälten ihn deshalb wenigstens keine Albträume mehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ellie noch lebte, tendierte gegen null. Ellie war tot, und das war seine Schuld. Kein schöner Gedanke, aber er konnte irgendwie mit der Trauer leben.
    Bei Alex war es … anders. Himmel, hätte er doch nur den Mut aufgebracht, ihr alles zu erzählen, das ganze schreckliche Fiasko, was er getan hatte und welchen Preis er dafür bezahlen musste. Wenn ihn irgendjemand verstand, dann sie, und das hätte ihn gerettet. Er presste eine Hand auf die Brust und spürte, wie sein Herz pochte. Jeder Gedanke an sie löste einen geradezu körperlichen Schmerz in ihm aus, stärker als Kummer und eindringlicher als Sorge. Sehnsucht. Das Verlangen nach ihr. Das Gefühl, dass es noch nicht vorbei war und hoffentlich niemals vorbei sein würde. Er weigerte sich schlicht zu glauben, dass er sie niemals wiedersehen würde.
    Aber sie war in Gefahr. Das wusste er einfach. Deshalb tauchte sie in seinem Flashback plötzlich in Afghanistan auf, wo der Tod überall lauern konnte, verborgen unter einem Stein, versteckt in einer Mülltüte, festgeschnallt an …
    Halt, nicht weiter. Denk nicht daran. Ein Stöhnen wollte sich über seine Lippen stehlen. Er glaubte daran, dass ihm noch Zeit blieb, Alex zu retten. Aber nicht mehr viel. Und vielleicht war es ja doch schon zu spät.
    Bitte, lieber Gott . Er legte einen Arm übers Gesicht. Bitte hilf mir. Ich verlange keine Wunder. Sorg nur noch eine kleine Weile dafür, dass ihr nichts passiert, bis ich zu ihr kommen kann, mehr will ich nicht. Bitte.
    Natürlich geschah nichts. Keine zuckenden Blitze, keine himmlischen Chöre, keine Engel. Nur der Hund seufzte, und der Gasofen brummte. Eine jähe Windbö rüttelte das Bootshaus und ließ die Bretter knarren, aber das war nichts als Luft.
    Es war gut so. Denn es kam darauf an, was er fühlte und was er tief im Innern wusste. Alex lebte, und er würde sie finden oder bei dem Versuch sterben.
    »Halt aus, Alex«, flüsterte er. »Halt aus.«

TEIL I
    DAS OPFER

1
    O Gott, hilf mir, bitte hilf mir. Alex hatte das Gefühl, als verwandelte sich die Welt in eine schräge Eisfläche, auf der sie wegrutschen und haltlos ins Nichts stürzen würde, falls sie nicht mit aller Kraft dagegen ankämpfte. Das Herz zersprang ihr fast in der Brust. Und sie zitterte am ganzen Körper, der Heuhaken in der Gürtelschlaufe schlug immer wieder gegen ihren rechten Oberschenkel. Hinter ihr erhob sich die Pyramide aus ordentlich geschichteten Schädeln: das Einzige, was von jenen geblieben war, die vor ihr auf dieses Schlachtfeld geraten waren. Und dann war da natürlich noch dieser Geruch – der vertraute Gestank nach verwesendem Fleisch und gärender Kloake.
    Das kann nicht sein; es passiert nicht wirklich.
    Doch das tat es. Sie standen direkt vor ihr, keine dreißig Meter von der Stelle entfernt, wo sie im Schnee kauerte. Fünf Veränderte. Zwei Mädchen. Drei Jungen.
    Alex wagte nicht, sich zu rühren, während die Jugendlichen einen Halbkreis um sie bildeten.
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