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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Autoren: Ilsa J. Bick
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einen Angriff wartete, von dem man sicher wusste, dass er kommen würde, brachte man sich langsam, aber sicher um den Verstand. In solchen Leerlaufzeiten war es zu einigen der brutalsten Raufereien gekommen, in die er je geraten war. Jed stieß einen tiefen Seufzer aus, denn er wusste, was der Junge empfand und dass es sinnlos war, darüber zu diskutieren. Herrgott, Jed hätte für Grace dasselbe getan.
    »Kannst du noch ein bisschen warten?« Als der Junge zögerte, fügte er hinzu: »Nur eine Woche, allerhöchstens zehn Tage; um mehr bitte ich dich nicht.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    Plötzlich fiel ihm das Schlucken schwer. »Michaels Geburtstag. Ich weiß, dass Grace extra Mehl und Zucker aufgespart hat, um einen Kuchen zu backen. Es würde ihr sehr viel bedeuten.« Er verstummte kurz und setzte schließlich mit krächzender Stimme hinzu: »Und mir auch.«
    »Dann bleibe ich natürlich«, sagte Tom Eden. »Kein Problem.«
    Er hatte gelogen.
    Toms Blick folgte Jed, der den Weg zurückstapfte und in einem Dickicht aus Lärchen und Tannen verschwand. Jetzt, da es ihm besser ging, kam Tom nur noch zu den Mahlzeiten ins Blockhaus, was auf jeden Fall sicherer war. Man konnte nie wissen, wer dort gerade aufkreuzte, und Jed und Grace hatten ohnehin schon viel riskiert, als sie ihn aufgenommen hatten. Er verdankte ihnen sein Leben. Hätten sie einen Weg weiter westlich eingeschlagen oder wären sie nicht neugierig geworden, weshalb drei tote Jugendliche auf dem Parkplatz des Mini-Markts lagen, wäre er gestorben. Als sein Fieber zurückging und er aus dem Delirium erwachte, waren vier Tage vergangen, und er befand sich in Wisconsin.
    Mein Gott, die arme Alex. Trotz der Kälte gab es ihm einen glühend heißen Stich in die Brust, und er musste ein Stöhnen unterdrücken. Bestimmt war sie außer sich gewesen, als sie zurückkehrte und er nicht mehr da war. So wäre es jedenfalls ihm ergangen. Und dass sie zurückgekehrt war, stand für ihn fest. Sie war hartnäckig, eine Kämpfernatur. Er hätte sie niemals aufgegeben …
    Völlig unerwartet, wie aus heiterem Himmel, war ein leises, ängstliches Wimmern zu vernehmen.
    O nein . Sein Atem ging flacher, stockte. Tom rührte sich nicht. Wäre er ein anderer Mensch an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit gewesen, hätte er vielleicht zu dem Hund hinübergeschaut oder gedacht, irgendein kleines Tier, ein Eichhörnchen oder so, wäre gerade vorbeigehuscht. Aber Tom war Tom. Nach Afghanistan würde er nie mehr normal sein, ja vielleicht nicht einmal mehr er selbst sein können.
    Wieder dieses Wimmern – ein verhaltenes Schluchzen, genau genommen.
    Ignorier es, tu, was die Ärzte dir gesagt haben. Los, atme. Er presste die Handballen gegen die Schläfen, während er tief kalte Luft einsog, ausatmete, wieder einatmete. Atme einfach nur, das ist nicht real, es ist …
    »Bi-bi-bitta.« Neben »Schoko« und »Mista« waren das wahrscheinlich die einzigen Brocken, die das kleine Mädchen in Toms Sprache kannte. Und bei Gott, diese Stimme würde er aus Tausenden heraushören. Sie ließ einen Wortschwall auf Paschtunisch los, den er nicht verstand, dann sagte sie wieder: »Bitta, bitta … «
    »Nein«, wisperte er, »du bist überhaupt nicht da. Geh weg, verschwinde … « Er kniff die Augen zusammen, als könnte er damit alles ausblenden, doch es war längst zu spät. Er spürte, wie der Flashback sich in sein Hirn grub, sich wie mit Klauen festkrallte. Ihm schwirrte der Kopf, und mit einem Mal legte sich eine dicke Staubschicht auf seine Kehle. Das passiert nicht wirklich. Hier ist kein Staub. Ich bin in Wisconsin, und es ist Winter. Ich höre das nicht wirklich. Er versuchte, seine Gedanken in den Griff zu bekommen und sich zusammenzureißen, aber nun brannte die gnadenlose afghanische Sonne auf ihn herab. Ihm war heiß, wahnsinnig heiß, Sand knirschte zwischen seinen Zähnen und lag auf seiner Zunge, und er hörte das dumpfe Bumm-bumm-bumm von Schüssen in der Ferne. Und jetzt steckte er auch wieder in seinem Schutzanzug – einem dreißig Kilo schweren Panzer aus Hartplatten und Polyurethan-Polstern, die ebenso schwer auf ihm lasteten wie diese Ketten der Erinnerung.
    Ein statisches Knistern. »Herrgott, Tom!« Es knackte, dann sagte Jim – sein bester Freund, dem er sein Leben anvertraut hätte – ihm über Kopfhörer ins rechte Ohr: »In Gottes Namen, Tom, komm da raus, Mann, schneid … «
    Nein, Jim, du bist tot. Inzwischen keuchte Tom. Er konnte nicht anders. Du
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