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Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch
Autoren: Krystyna Kuhn
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stürzten, war unangenehm heiser. Im nächsten Moment sammelten sie sich dick und fett auf den Baumspitzen des düsteren Nadelwaldes, an dessen Ende Ravenhorst nun in voller Pracht auftauchte.
    Manche Menschen haben Angst in geschlossenen Räu men, andere fürchten sich vor der Höhe, wieder andere sterben beim Anblick von Spinnen.
    ICH HASSE VÖGEL!
    Und irgendwie war es klar, dass ausgerechnet ein fetter Rabe mitten auf dem Weg hockte, als ich aus dem Bus ausstieg. Er pickte an irgendetwas Ekelhaftem herum.
    Nein, ich hasse Vögel nicht, ich fürchte sie.
    »Was ist los?« Nikolaj stand direkt hinter mir.
    Ich holte tief Luft und machte einen Schritt nach vorne. Der Vogel hüpfte mir auf seinen widerlichen Krallenfüßen entgegen, drehte ganz langsam den Kopf in meine Rich tung und sein lauernder Blick traf mich, als hätte er es auf mich abgesehen.
    Dann zuckte er zusammen. Ein Stein landete direkt ne ben seinem Kopf. Der Vogel erhob sich mit aufgeregten Flügelschlägen in die Luft und landete Sekunden später auf dem dunklen Dach des Kirchturms.
    »Danke«, sagte ich erleichtert zu Nikolaj. »Aber ich bin mir sicher, er hat sich mein Gesicht gemerkt.«
    »Die tun doch nichts«, wunderte er sich über die Panik in meiner Stimme.
    »Von wegen! Da oben sitzt er und beobachtet uns.« Un willkürlich schüttelte ich mich. »Für den Stein wird er sich irgendwann rächen.«
    Aber Nikolaj lachte nur. »An die Raben musst du dich ge wöhnen. Die sind hier überall!«
    Nein, ich war nicht abergläubisch, aber sicher konnte man nie sein. Es gab zu viel zwischen Himmel und Erde, was wir Menschen noch nicht begriffen.
    »Die bringen Unglück, weißt du das nicht?«
    »Quatsch! Die haben total viel mit uns Schülern hier ge meinsam. Sie sind hochintelligent – wie wir! Sie leben in Gruppen – wie wir! Nächtigen gemeinsam auf ihren Schlafbäumen . . .«
    »Wie wir!«
    »Du lernst schnell! Und wenn sie verliebt sind, dann zie hen sie sich paarweise zurück – wie wir!«
    Mann, dieses Lachen. Da konnte man wirklich alle Prin zipien vergessen!
    »ICH hasse Raben, Krähen und überhaupt alle Vögel«, er widerte ich angewidert. »Sie sind nicht nur kohlraben schwarz, fett und dreckig, wünschen einem die Pest an den Hals, klauen, krächzen und . . .«
    »Kacken?«
    »Genau! Und du findest das auch noch cool! Igitt!«
    »Solange sie nicht direkt auf meinen Kopf machen.«
    »Ich sag doch, sie sind hinterlistig und gemein. Sei lieber vorsichtig. Wahrscheinlich hat er sich auch dein Gesicht gemerkt!«
    McDreamy lachte über mich.
    Das ging mir durch und durch!
    Jule, pass bloß auf!

KAPITEL 2
    A uf dem Schulhof ging es zu wie in einem Bienenstock, ei nem Ameisenhaufen, einem Taubenschlag, kurz: einem Ir renhaus. Im Bus war es klimatisiert gewesen, aber hier draußen herrschte schwüle, klebrige August-Hitze. Ich zog mein Kapuzenshirt aus und hängte es mir über die Schultern.
    »Und wie gefällt es dir?« Nikolaj breitete die Arme aus, als gehöre das alles hier ihm alleine.
    Ich sah mich um.
    Nun, wenn jemand den Film Im Namen der Rose gesehen hatte, dann musste man Ravenhorst nicht lange beschrei ben: düstere Mauern, hohe Spitzbogenfenster, dunkle Kreuzgänge und Darstellungen von dicken Heiligen aus grauen Steinblöcken gemeißelt.
    Ich legte den Kopf in den Nacken. Mein Blick blieb an dem hölzernen Turm auf dem hinteren Kirchendach hän gen, in dem nun eine Glocke die Uhrzeit verkündete: vier Uhr.
    »Schaurig schön«, antwortete ich auf Nikolajs Frage. »Stell dir vor, da oben zu stehen. Da kann man bestimmt die ganze Welt sehen.«
    »Nein! Ganz sicher nicht! Glaub mir, du kannst nicht mal bis Leipzig schauen...«Er holte tief Luft und sein Blick bekam einen gespannten Ausdruck. Geradezu sehn süchtig, als hätte er tatsächlich schon dort oben gestanden.
    Nun klatschte Frau Sturm in die Hände und bat um unse re Aufmerksamkeit.
    »Alle mal herhören! Bitte wartet, bis das Gepäck ausgela den ist! Dann gebe ich die Zimmeraufteilung bekannt.«
    »Kann ich mit Kira in eine Zelle?«, schrie Emilia, wobei sie sich nach ihrer traurigen, honigblonden Platznachba rin umsah.
    »Nein, Emilia«, erklärte Frau Sturm geduldig, »das ist be reits festgelegt. Außerdem sollt ihr die Zimmer nicht Zelle nennen! Das macht den neuen Schülern nur Angst.« Sie klatschte in die Hände. »Alle Neulinge mal herhören!«
    Niemand rührte sich.
    »He, Novizen, raus aus eurem Versteck!« Ein Mädchen mit hellbraunem Pagenkopf, der aussah, als
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