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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz
Autoren: Nina Blazon
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den Himmel gelegt hatte. Staunend betrachtete sie die Streifen aus Licht und ging dann langsam weiter.
    Natürlich würde sie es nicht schaffen, ganz allein zum ersten Fjord zurückzukommen. Sie konnte nur hoffen, dass sie die Zeichen der Tierläufer zu deuten wusste und sie herbeirufen konnte, bevor die Kälte ihr wirklich gefährlich werden konnte. Sie war darauf vorbereitet, die ganze Nacht zu wandern und vielleicht einen weiteren Tag, um zu den Lagern zu stoßen und dann mit ihrer Hilfe wieder zum ersten Fjord zu kommen. Und sie wäre auch hundert Tage gegangen. Doch das war nicht nötig.
    Erst glaubte sie ein Gespenst zu sehen, doch dann erkannte sie in der Ferne ein weißes Pferd. Die Zügel hingen bis auf den Boden. Und etwas weiter links, so nah am Ufer, dass die Gischt ihn erreichen musste, stand der Reiter und blickte in Richtung der Zitadelle, die sich nur noch als fahles Gespenst in der Ferne erhob. Sein Anblick schnürte Summer die Kehle zu. Sie kannte die Haltung, die Linie der Schultern, alles an ihm war so vertraut, dass sie vor Freude am liebsten geweint hätte.
    Noch hatte er Summer nicht entdeckt. Und einen Moment hielt sie sich zurück und betrachtete ihn. Die letzten Augenblicke zwischen ihrem neuen Ich als Menschen und dem Wir, von dem sie nie wieder lassen wollte.
    Loved senkte den Kopf und wandte sich brüsk von der Zitadelle ab. Er ging zum Pferd zurück, entschlossen zwar, aber mit hängenden Schultern, wie jemand, der weiß, dass er vergeblich kämpft. Jetzt hielt Summer es nicht mehr aus.
    »Loved!« Ihre Stimme hallte über den Fels. Er fuhr herum.
Und sie ließ den Rucksack fallen und rannte auf ihn zu, ohne auf ihre Schulter zu achten.
    Fassungslosigkeit huschte über seine Miene, dann Begreifen und unendliche Erleichterung. Sie wartete darauf, ihn endlich lächeln zu sehen, und darauf, seine Arme um sich zu spüren, aber ihr Geliebter überraschte sie so sehr, dass sie beinahe gestolpert wäre.
    Sein Gesicht verdüsterte sich, er schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. Und dann drehte er sich einfach auf dem Absatz um und ging mit wütenden Schritten zum Pferd zurück!
    »Halt!«, rief Summer. »Was machst du?«
    Ruckartig blieb er stehen, fuhr zu ihr herum. Selbst im schwachen Schein des Winterlichts konnte sie sehen, dass seine Augen gerötet waren, als hätte er geweint. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er holte so krampfhaft Luft, als müsste er sich beherrschen, ihr keine Verwünschungen an den Kopf zu werfen.
    »Ich kann dir verzeihen, dass du mein Herz verbrannt hast«, brach es aus ihm heraus. »Und dass du tust, was dir gefällt, ohne dich darum zu scheren, dass ich vor Angst um dich fast wahnsinnig werde. Aber dass du mitten in der Nacht aufstehst und dich davonmachst wie ein Dieb, um mich für immer zu verlassen …«
    »Loved, ich …«
    »Was?«, schrie er. »Was willst du mir jetzt erzählen? Dass du mich liebst? Dass dein letzter Gedanke mir gegolten hätte. Danke, Summer, aber das nenne ich nicht Liebe!«
    Noch nie hatte sie ihn so aufgewühlt gesehen. Doch wie bei Moira, glomm hinter seinem Zorn etwas anderes, das sie berührte. Sie streckte die Hand nach ihm aus, aber er ging einen weiteren Schritt zurück und schüttelte den Kopf.
    »Nein!«, sagte er mit belegter Stimme. »Nein, nie wieder, Summer. Jede Sekunde der letzten Tage habe ich zu allen Göttern des
Südens und Nordens gebetet, dass du noch lebst und dass ich dich finde. Und jetzt …« Erneut schüttelte er den Kopf. »Wann wirst du das nächste Mal aus meinem Leben verschwinden? Nein, ich habe dich zu lange geliebt und zu lange gehasst, um dich noch ein einziges Mal zu verlieren!«
    Mit diesen Worten wandte er sich um und ging zum Pferd zurück.
    »Du verlierst mich nicht mehr«, rief sie ihm hinterher.
    »Ach wirklich?«, kam es zurück. »Sagt wer? Die Frau, die sich gestern Nacht aus meinem Bett davongeschlichen hat?«
    Mit einer wütenden Bewegung, die sie so gut an ihm kannte, schnappte er sich die Zügel und machte tatsächlich Anstalten, aufzusteigen und davonzureiten. »Du Sturkopf, bleib stehen!«, schrie sie. Das Pferd scheute vor dem lauten Ruf und trabte mit hängendem Zügel ein Stück davon. Es fiel ihr schwer, mit den Stiefeln zu laufen, aber sie rannte zu ihm und packte ihn am Kragen.
    »Du verlierst mich nicht mehr«, wiederholte sie.
    Sie knöpfte ihren Mantel auf und nahm seine linke Hand. Widerstrebend ließ er zu, dass sie ihm den Handschuh auszog und die
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