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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz
Autoren: Nina Blazon
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dich am Ufer ab. Ich glaube nicht, dass irgendeine von euch noch gerne in der Zitadelle gesehen ist.«
    Eine von euch . Summer erwiderte nichts.
    Es war ein Wagnis, bei dem hohen Wellengang zur Bucht überzusetzen, und Summer klammerte sich fest, so gut sie konnte. Sie war froh, dass Farrin neben ihr saß und sie sich bei besonders hohen Wellen an ihn lehnen konnte. Gischt benetzte ihr Gesicht, als sie im Bogen auf die Bucht zuhielten. Sie hielt Ausschau nach Dajee und Zia, doch die beiden ließen sich nicht blicken. Die Felsen kamen ihnen mehr als einmal bedrohlich nahe, doch Moira war ein geschickter Steuermann. Konzentriert manövrierte sie das Boot zwischen den Steinzähnen hindurch in das ruhigere Wasser der kleinen Bucht. Als Summer endlich wagte, sich vorsichtig umzusehen,
lag die Zitadelle schon weit hinter ihnen. Ein verwundeter Koloss, der immer noch in den Himmel strebte. Und durch die durchbrochenen Fenster des Rondells sah man an einigen Stellen wieder das matte Indigoblau des Himmels. Moira hatte veranlasst, dass die Verkleidungen der Fenster entfernt wurden.
    Und trotzdem war es zu spät für Beljén . Sie hatte gedacht, sie hätte seit gestern alle Tränen geweint, die sie für Beljén und auch für den armen Tellus hatte, aber nun weinte sie wieder, während der Wind ihre nassen Wangen kalt werden ließ.
    Moira brachte das Boot im Schutz eines kleinen Steinwalls seitlich an einen flachen Felsen heran. Hier war das Wasser ruhiger, aber dennoch schaukelte das Boot auf und ab.
    Mit geschicktem Schwung warfen Moira und Farrin ein Seil um einen Vorsprung und stabilisierten das Boot. Summer ließ es nur zu gerne zu, dass Farrin sie über den gurgelnden Spalt zwischen Boot und Felsen hob. Ihre Knie zitterten, als sie endlich auf festem Boden stand. Farrin sprang sofort zurück auf das Boot und holte die beiden Rucksäcke. Den kleineren mit dem Proviant warf er an Land. Dann bückte er sich nach dem zweiten. Als er gerade mit dem Gepäck wieder von Bord springen wollte, schüttelte Summer den Kopf. »Nein«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich gehe allein.«
    Farrin richtete sich wieder auf. Er und Moira sahen sie an, als hätte sie einen Scherz gemacht, über den niemand lachen konnte.
    »Was soll das?«, rief Moira.
    »Ich danke euch beiden. Und dir ganz besonders, Moira. Aber hier trennen sich unsere Wege. Ihr habt eure Aufgabe. Und ich meine.« Sie musste schlucken, als sie wieder in die beiden Gesichter blickte, die ihr so lieb geworden waren. Mit der linken Hand nahm sie den Rucksack hoch und legte einen der Trageriemen vorsichtig über die unverletzte Schulter. »Lebt wohl.«

    Hinter sich hörte sie die beiden streiten, Moiras empörte Stimme und Farrins besonnene.
    »Lass sie, Moira!«
    »Das werde ich ganz bestimmt nicht! Sie hat Fieber und weiß nicht, was sie tut!«
    »Ich glaube, sie weiß es sehr genau.«
    Summer ging schneller, ohne sich umzusehen. Der Wind rauschte in ihren Ohren und übertönte die Stimmen. Erst als Schritte hinter ihr erklangen, wusste sie, dass Moira sich nicht mit einem einfachen Lebewohl abspeisen ließ.
    »He! Bleib stehen!«
    Moira erreichte sie rennend und packte sie ohne Rücksicht auf ihre Schulter am Arm. »Was soll das? Bist du jetzt wirklich übergeschnappt? Ich werde nicht zulassen, dass du gehst.« Ihre grauen Augen waren ein Gewitterhimmel. Doch heute schüchterte die Kriegslady Summer nicht mehr ein.
    »Doch, das wirst du«, erwiderte sie ruhig. »Weil es meine Geschichte ist. Und nicht deine.«
    »Ach wirklich, Prinzessin? Du weißt ja nicht einmal, wie du allein zum Lager kommst! Du gehst jetzt schon in die falsche Richtung.«
    »Es ist die richtige Richtung, Moira. Ich will nicht ins Lager. Sondern dorthin.« Sie deutete nach Südosten.
    Endlich ließ Moira sie los. »Zum nächsten Fjord? Hast du den Verstand verloren? Dort gibt es nichts außer ein paar alten Ruinen. Meinst du, ich reiße mir mein Bein für dich aus, nur damit du Selbstmord begehst? Du wirst irgendwo im Schnee vor die Hunde gehen. Sobald die Betäubung aufhört zu wirken, wird jeder Schritt mit der Wunde zur Qual.«
    Sie verstummte, als Summer ihr nicht widersprach.

    »Es gibt jemanden, der dort auf mich wartet«, sagte Summer. »Der Mann, der mich in Maymara angegriffen hat. Und der dich in Lord Teremes’ Lager niedergeschlagen hat, um mich zu retten. Er… heißt Loved.«
    Es war seltsam, dass ihr bei diesen Worten das Blut in die Wangen schoss. Aber allein seinen Namen auszusprechen,
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