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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix
Autoren: Kai Meyer
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ihn brachte.
    In ihrem Rücken sagte er: »Dir ist doch klar, dass du gar keine Wahl hast, oder?«
    Sie schloss für einen Moment die Augen. »Du blöder Arsch«, flüsterte sie, ohne sich umzudrehen.
    Er klang niedergeschlagen. »Lässt du mir denn eine Wahl?«
    Mit einem Ruck fuhr sie herum. »Sie ist deine Assistentin, nicht das verfickte Scottland Yard! Und das hier ist London! Sie findet dich nicht, wenn du es nicht willst. Wie alt bist du? Sieben?«
    »Dann sieh’s einfach so: Ich hab keine Lust, auf einer Parkbank zu schlafen.« Seine Augen funkelten angriffslustig. Gleich würde er den magischen Schlüssel aus der Tasche ziehen und sie in ein Opossum verwandeln.
    »Du würdest mich allen Ernstes an die Bullen verpfeifen?«
    Er tat, als hielte er Ausschau nach einem Bobby. Ein wenig aufgesetzt, fand sie, aber niemand hatte behauptet, dass er ein guter Schauspieler war.
    »Arsch«, sagte sie noch einmal.
    »Nur eine Ecke auf dem Boden.«
    Zehn Millionen Mädchen hätten für dieses Angebot ihre Eltern erdrosselt. Ash hoffte nur, er würde auf der Stelle von einem Bus überfahren.
    Parker schien ihren Wunsch erfüllen zu wollen. Ohne nach links oder rechts zu sehen, trat er auf die Straße und überquerte die Fahrbahn. Ein schwarzes Taxi wich ihm aus und hupte. Zwei weitere Wagen bremsten scharf und entgingen einem Zusammenstoß nur um Haaresbreite.
    Ash blieb stehen und starrte auf seinen Rücken, während er ungerührt weiterging.
    »Hast du sie noch alle?«, rief sie ihm hinterher.
    »Komm endlich!«
    Sie ließ sich viel Zeit, in der Hoffnung, eine Horde Paparazzi käme um die Ecke. Als sie schließlich die andere Seite erreichte, sah er sie nur fragend an, so als hätte er keinen Schimmer, worüber sie sich eigentlich aufregte.
    Sie machte keinen Versuch, es ihm zu erklären. Er war eben, wie er war. Die Welt drehte sich um ihn. Der Verkehr hatte sich gefälligst zu teilen wie das Rote Meer, wenn es Parker Cale in den Sinn kam, die Straßenseite zu wechseln. Anmaßend bis in die Haarspitzen. Und er hatte ihr mit der Polizei gedroht. Blasierter, selbstgerechter Wichser.
    »Central Line West«, sagte sie knapp, während sie an ihm vorbei die Treppe hinunterlief. »Bis Shepherd’s Bush. Und sprich mich ja nicht mehr an. Ich hab keine Lust, morgen neben dir in der Sun aufzutauchen.«

8.
    Sie stiegen in den letzten Waggon ein. Er war menschenleer. Schweigend setzten sie sich auf gegenüberliegende Seiten des Gangs. Ash ignorierte Parker, so gut es eben ging. Hinter der Sonnenbrille blieben seine Augen unsichtbar, aber sie hatte das Gefühl, dass er sie anstarrte.
    »Hier ist niemand«, sagte sie schließlich. »Du kannst das Ding absetzen.«
    Er tat es nicht. Auch gut.
    Noch nie hatte sie das Innere eines U-Bahn-Waggons so aufmerksam studiert wie heute. Der graue Boden war verschmutzt, als hätten die Hooligans der Queens Park Rangers hier drinnen gefeiert. Eine leere Bierdose rollte über den Gang. Die Sitzpolster waren mit rot gemustertem Stoff bezogen, auch die Haltestangen waren rot. Die weißen Wände und Plexiglasfenster gingen in die gewölbte Decke über. Es roch nach Kunststoff und der aufbereiteten Luft des Londoner Untergrunds, mit einer zarten Note Erbrochenem. Wenigstens war nirgends welches zu sehen. Oder Parker saß mittendrin. Aber dann würde er sie wahrscheinlich zwingen, seine Klamotten zu waschen. Oder ich geh zu den Bullen.
    Shit. Im Keller hätte sie ihn abhängen können. Wahrscheinlich hätte er sie einfach vergessen, er schien genug andere Probleme zu haben.
    Lancaster Gate. Die erste von fünf Stationen bis Shepherd’s Bush. Niemand stieg in ihren Waggon ein. Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, waren sie noch immer allein.
    »Tut mir leid«, sagte Parker.
    »Und mir erst.«
    »Ich mein’s ernst.«
    »Ist es nicht eher – ich weiß nicht – unglaubwürdig , sich zu entschuldigen, während du mir noch die Pistole auf die Brust setzt?«
    Mit einem Seufzen nahm er die Sonnenbrille ab und strich sich durchs Haar. »Ich hab dich nur um deine Hilfe gebeten. Mein Gott, was verlange ich denn schon?«
    »Was du …« Es verschlug ihr die Sprache. »Wie viele Leute hast denn du schon mit in deine Wohnung genommen, weil sie dich darum gebeten haben? Oh, entschuldige, du bist ja Parker Cale! Ein paar Hundert werden es wohl gewesen sein. Vorausgesetzt, sie hatten die richtige Körbchengröße.«
    »So bin ich nicht.«
    Sie lachte. »Natürlich nicht.«
    »Die Zeitungen verbreiten
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