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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix
Autoren: Kai Meyer
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allen möglichen Scheiß über mich. Ich kann’s nicht ändern.« Mit einem Mal ballte er die Faust und schlug fest auf seinen Oberschenkel.
    Ash hielt kurz den Atem an. Das musste wehgetan haben. Aber Parker zuckte nicht einmal.
    »Sie schreiben, was sie wollen, verstehst du?« Er blickte sie über den Gang hinweg an, als hätte sie selbst all diese Artikel verfasst. »Es ist ihnen scheißegal, was sie anrichten. Und die Leute glauben ihnen jedes Wort!«
    Sie hätte aufstehen und einen Waggon weitergehen können. Dort waren Menschen zugestiegen. Sie wäre dann nicht mehr allein mit ihm, selbst wenn er ihr folgte. Aber sie blieb sitzen und hielt seinem Blick stand.
    »Das ist nicht mein Problem«, sagte sie.
    »Ich weiß.«
    » Mein Problem ist, dass ich dämlich genug war, mich erwischen zu lassen. Und dass ich jetzt von dir erpresst werde.«
    »Ich erpresse dich nicht!«
    »Du hast mir –«
    »Nein«, unterbrach er sie. »Hab ich nicht. Das hast du mir in den Mund gelegt.«
    Sie schwieg, während die leere Dose wieder zur anderen Seite rollte. Die U-Bahn wurde langsamer und hielt an. Queensway. Ein paar Minuten später Notting Hill Gate. Die nächste Station, ihre vorletzte, war Holland Park.
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass Parker während der Stopps die Brille nicht wieder aufgesetzt hatte.
    »Sieh mich nicht so an«, sagte sie.
    »Im Hotel hab ich dir vertraut. Jetzt vertrau du mir! Ich will nur bei dir übernachten, sonst nichts. Ich kann’s mir nicht leisten, dass mich irgendwer wie einen Penner auf einer Bank findet, Fotos schießt und das Ganze ins Netz stellt oder an eine Zeitung verkauft.« Abwehrend hob er die Hände, als käme ihm das selbst gerade sehr weit hergeholt vor. »Tut mir leid, wenn das für dich nach Luxussorgen klingt. Aber ich muss mir über diesen Mist Gedanken machen. Vermutlich kann ja auch nicht jeder verstehen, womit du dich in deinem Leben so herumschlägst.«
    »Nein.« Sie unterdrückte ein Lächeln. »Wohl kaum.«
    Seine Mundwinkel hoben sich und für einen Augenblick schien ihr gegenüber wirklich dieser Filmstar zu sitzen, derselbe Typ, der von zehntausend Plakaten herabstrahlte.
    Ein lang gezogenes Scharren erklang. Wie Ashs Schlüssel auf Autolack.
    Die beiden blickten gleichzeitig zur Decke des Waggons hinauf.
    »Was war das?«, fragte sie.
    Er sprang auf, packte sie an der Hand und zog sie auf die Beine. »Schnell!«, rief er. »Komm mit!«
    »Kannst du mir –«
    Oben auf dem Dach der U-Bahn ertönte das Scharren erneut, jetzt noch durchdringender.
    Parker lief los und zerrte Ash mit sich – genau in die Richtung, aus der die Geräusche näher kamen.

9.
    Die U-Bahn raste mit hoher Geschwindigkeit durch den Tunnel nach Westen. Das, was sich da oben über das Dach zu schieben schien, kam von vorn, bewegte sich entgegen der Fahrtrichtung.
    Unmöglich. Die U-Bahnen schossen in aberwitzigem Tempo durch die engen Röhren, zu schnell, als dass sich ein Mensch dort oben hätte festklammern können. Zudem passte nichts zwischen Metalldach und Tunneldecke, das höher war als eine Ratte.
    »Vielleicht ein loses Kabel«, sagte Ash, während sie kurz stehen blieben. Die Geräusche waren jetzt unmittelbar vor ihnen zu hören. Sie würden darunter hinweglaufen müssen, um den Durchgang zum nächsten Waggon zu erreichen.
    »Nein«, sagte er, »das war kein Kabel.«
    »Was dann?«
    Er schien es nicht für nötig zu halten, darauf zu antworten. »Halt nicht an, bis wir an der Tür sind!«
    Ash stellte sich vor, wie sich etwas dort oben aufs Dach presste, flach wie ein Rochen, und ihre Witterung aufnahm.
    Ungehindert passierten sie die Stelle und erreichten die Verbindungstür zum nächsten Waggon. Parker setzte seine Sonnenbrille auf und öffnete das Schott. Einen Moment später waren sie wieder unter Menschen, zehn oder fünfzehn, die weit verteilt auf den Bänken saßen.
    Niemand beachtete sie, während sie den Wagen durchquerten, abgesehen von einer Mutter mit Kind, die von ihrem Taschenbuch aufblickte, erst Ash musterte, dann Parker und wieder zu ihrer Lektüre zurückkehrte. Vielleicht war seine Paranoia nicht so berechtigt, wie er es sich einredete.
    »Okay.« Ash ließ sich auf einen freien Doppelsitz am Ende des Waggons sinken. »Was war das gerade?«
    Parker blieb stehen. »Wir müssen beim nächsten Halt hier raus.«
    »Weil sonst was passiert?«
    Gerade öffnete er den Mund, als sich die Lautsprecheransage meldete. Nächste Station: Holland Park. Danach kam schon Shepherd’s
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