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Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur

Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur

Titel: Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Autoren: Bernard Cornwell
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hatte keinen Blick dafür. Sie ging einfach weiter. Das seltsame Licht schimmerte auf ihrem Körper, auf ihren Armen und Beinen und auf ihrem langen schwarzen Haar, das ihr tief ins Gesicht hing, ein Gesicht, das wie eine schwarze Maske inmitten dieses unheimlichen Leuchtens stand, und doch spürte ich irgendwie – instinktiv vielleicht –, daß ihr Gesicht schön war. Sie kam fast ganz bis dorthin, wo Issa und ich standen, und dann hob sie auf einmal diesen pechschwarzen Schatten ihres Gesichts, um in unsere Richtung zu blicken. Ich roch etwas, das mich ans Meer erinnerte, doch dann war sie, so unvermittelt, wie sie aufgetaucht war, blitzschnell durch eine Tür verschwunden, und die Zuschauer seufzten auf.
    »Was war das?« fragte Issa mich flüsternd.
    »Ich weiß es nicht«, gab ich zurück. Ich hatte Angst. Dies war kein Wahn, sondern etwas Reales, denn ich hatte es deutlich gesehen. Aber was war es? Eine Göttin? Doch warum hatte ich das Meer gerochen?
    »Vielleicht war es einer von Manawydans Geistern«, sagte ich zu Issa. Manawydan war der Meeresgott, und dessen Nymphen würden zweifellos nach salziger Meeresluft riechen.
    Wir mußten sehr lange auf die zweite Erscheinung warten, und als sie kam, war sie weit weniger eindrucksvoll als die leuchtende Meeresnymphe. Auf dem Palastdach tauchte eine Gestalt auf, eine schwarze Gestalt, die sich langsam als bewaffneter Krieger entpuppte. Er trug einen Mantel und einen monströsen Helm, der vom Geweih eines starken Hirsches gekrönt war. Der Mann war im Dunkeln kaum zu sehen, doch als eine Wolke den Mond freigab, erkannten wir, was er war, und die Menge stöhnte auf, als er mit ausgebreiteten Armen über uns stand, während sein Gesicht von den Wangenstücken des riesigen Helmes verborgen war. Er trug Speer und Schwert. Sekundenlang blieb er da stehen, dann verschwand auch er, obgleich ich schwören könnte, gehört zu haben, wie bei seinem Verschwinden ein Ziegel von der hinteren Seite des Daches rutschte.
    Gerade als er verschwand, tauchte das nackte Mädchen wieder auf, nur schien es diesmal, als materialisiere sie sich auf der obersten Stufe des Bogenganges. Eben war noch alles dunkel gewesen, dann stand plötzlich ihr langer, schlanker Körper da, still, aufrecht und leuchtend. Wieder blieb ihr Gesicht im Dunkeln verborgen, so daß es wie eine Schattenmaske wirkte, die von lichtdurchglänztem Haar gerahmt wurde. Ein paar Sekunden lang stand sie still; dann vollführte sie einen langsamen Tanz, setzte die Füße zierlich auf den Zehenspitzen in einem verschlungenen Muster, das sich auf derselben Stelle hin und her und im Kreis bewegte. Beim Tanzen blickte sie ständig zu Boden. Mir schien, als sei dieses unirdische Leuchten auf ihre Haut gemalt worden, denn wie ich entdeckte, war es an einigen Stellen intensiver als an anderen, aber von Menschenhand stammte es sicherlich nicht. Issa und ich lagen jetzt auch auf den Knien, denn dies mußte ein Zeichen der Götter sein. Es war Licht in der Dunkelheit, Schönheit inmitten von versunkenem Glanz. Die Nymphe tanzte, während das Leuchten ihres Körpers allmählich verglomm, und dann, als sie nur noch die Andeutung einer schimmernden Schönheit im Schatten der Arkaden war, hielt sie inne, spreizte, uns zugewandt, Arme und Beine und war verschwunden. Unmittelbar darauf wurden zwei brennende Fackeln aus dem Palast gebracht. Inzwischen lärmte die Menge, rief laut ihre Götter an und verlangte Merlin zu sehen. Und schließlich erschien auch er in der Tür des Palastes. Der weiße Krieger trug eine der brennenden Fackeln, die einäugige Nimue die andere.
    Merlin kam an die oberste Stufe und blieb dort in seinem langen, weißen Gewand stehen. Er ließ die Menge ungestört weiterrufen. Sein grauer Bart, der ihm fast bis an die Taille reichte, war zu Zöpfen geflochten, die mit schwarzen Bändern umwickelt waren; die langen, weißen Haare hatte er ebenfalls geflochten und umwickelt. In der Hand trug er seinen schwarzen Stab, den er zum Zeichen, daß die Leute still sein sollten, nach einer Weile würdevoll anhob. »Hat es eine Erscheinung gegeben?« erkundigte er sich neugierig.
    »Ja, ja!« riefen die Zuschauer. Und Merlins altes, schlaues, boshaftes Gesicht nahm einen Ausdruck freudiger Überraschung an, ganz als hätte er nicht gewußt, was möglicherweise im Hof passiert war. Er lächelte; dann trat er beiseite und winkte mit seiner freien Hand. Zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen, kamen aus dem Palast;
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